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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Agatha.
Kapitel 8/II
    Das »Gequatsche« hatte in Ardry End stattgefunden, begleitet von Lou Reed, der in unheilschwangeren Rhythmen seine Gitarre bearbeitete. Melrose liebte Lou Reed. Lou Reed (»der Wüstling«) trieb Agatha in den Wahnsinn, leider aber nicht aus dem Haus. Als er Ellens Anruf bekommen hatte, saß Agatha, die Verschmäherin von Titeln, an seinem häuslichen Herd (metaphorisch gesprochen) und suchte in Debrett’s Adelsverzeichnis nach einem ebensolchen. Eine Stunde lang war sie mit der Geschwindigkeit eines Tausendfüßlers auf den Spuren ihrer Abstammung durch die Seiten geflitzt. Das mochte eine schöne Abstammung sein, dachte Melrose. Ein Verwandter von ihr in Wisconsin hatte sie in einem Brief darauf hingewiesen, daß ein Großonkel (oder Urgroßonkel) väterlicherseits ein gewisser Baron Fust gewesen sei - vor ihrer Heirat mit Melroses Onkel hatte sie Fust geheißen. Der Anspruch auf diesen Adelstitel rann ihr vielleicht sogar im Blut (jedenfalls rann er im Blut der männlichen Nachkommen) und war nicht einfach mal so en passant zu erhaschen (wie das lächerliche »Lady« Ardry). Der Gedanke daran ließ ihr das Wasser noch mehr im Munde zusammenlaufen als das mit Marmelade überhäufte Hörnchen in ihrer Hand. Adel verpflichtet, dachte Melrose.
    »Baron Fust! Stell dir das vor!«
    »Für eine Viertelstunde wird jeder einmal Baron!« sagte Melrose. »Warhol.«
    In dem Moment brachte Ruthven das Telefon. »Ferngespräch, Sir, aus Amerika.«
    »Ellen!« Sofort setzte Melrose sich gerade hin und erwachte aus dem Dämmerzustand, in den ihn die Gegenwart seiner Tante immer versetzte. »Wo zum Teufel sind Sie? . Baltimore?«
    Agatha gönnte ihren Ohren eine Erholung. Einerlei, wer Ellen war, sie war weit genug weg, um kein drängendes Problem darzustellen.
    »Ihr Buch? Ja, ja, habe ich. Danke.« Melrose sandte einen gepeinigten Blick zum Couchtisch, wo Ellens Buch lag, nicht zu Ende gelesen. »Ich weiß, daß Sie dafür den Preis bekommen haben, ja, ich weiß, wunder ... gefällt?« Verständlicherweise fiel seine Antwort ein wenig knapp aus. »Natürlich. Ja . oh, ziemlich, hm, anders .«
    Besagtes Buch befand sich nun in Agathas Händen beziehungsweise in einer Hand - in der anderen befand sich ein dünner Pfefferkuchen. Es hatte auf Polly Praeds neuestem Werk gelegen, das Polly Melrose in Gestalt eines Fahnensatzes hatte zukommen lassen. Sollte er jetzt auch noch Lektor werden?
    »Nach Baltimore kommen?« Hilf Himmel, warum hatte er das laut gesagt? Agatha stierte ihn über das Buch hinweg an. Sie hatte sogar aufgehört zu kauen. »Mal sehen ... Hm, ja, ich weiß, daß ich gesagt habe, ich würde .«
    Als nächstes berichtete Ellen ihm etwas, mit dem er nun gar nicht gerechnet hatte, und er konnte nur knapp vermeiden, es zu wiederholen, als er Agathas Blick auf sich geheftet sah. Während Ellen also ihre kleine Geschichte erzählte, zeigte er keine Gefühlsregung, kein Interesse, und brummte nur die ganze Zeit »Uhmmmm« und »Ohmmm«, als sänge er ein Mantra.
    Es fiel ihm einfach so entsetzlich schwer, zu verreisen, sich aufzuraffen, sich von Heim und Herd und dem Jack and Hammer loszureißen. Er seufzte. Aber er würde Ellen gern wiedersehen. »Polizist ...? Reden Sie von Richard Jury?« Sie tat doch wahrhaftig so, als erinnere sie sich nicht an den Namen! »Übrigens, er besucht mich bald ... Ja, aber, Ellen, Leute von der Mordkommission bei Scotland Yard können nicht alles stehen und liegen lassen und in die Vereinigten Staaten fliegen.« In Wirklichkeit konnte Jury stehen und liegen lassen, was ihm paßte, er hatte Urlaub. »... in ein, zwei Tagen. Ja.« Dann wollte Jury angeblich kommen. Aus irgendeinem Grunde wollte er Pratt in Northampton aufsuchen.
    Agatha war ganz Ohr. Ihren Pfefferkuchen hatte sie völlig vergessen. Er hätte diesen Anruf wirklich außerhalb ihrer Hörweite annehmen sollen - wenn es einen solchen Ort gab. Vielleicht Saddam Husseins Bunker. Melrose kippte seinen Sherry und sagte: »Ellen, ich verspreche es hoch und heilig . Ja, ich rufe an . Ja . Nein . Ja . Ja . Nein ... Nein ... Auf Wiederhören.«
    »Der Name ist mir bekannt - ganz bestimmt. Ellen. Ellen. Habe ich die Frau nicht kennengelernt?« Stimmte sogar. An der Victoria Station, als Vivian damals nach Italien gefahren war.
    »Nein.«
    »Du denkst doch nicht daran, in die Staaten zu fliegen, mein lieber Plant?«
    »Nein.« Und ob er daran dachte! Er mochte Ellen nicht nur sehr gern, sondern er wußte auch, daß

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