Fremde Federn
ihre realistische Beurteilung des eigenen Talents, sondern auch ihr völliger Mangel an beruflichem Neid. Sie pfiff auf den Schmonzes in den Klappentexten, ermutigte statt dessen debütierende Romanschreiber, las zerfledderte Manuskripte, beantwortete Briefe und dergleichen mehr.
Solch edle Gesinnung konnte man der Dame, die nunmehr durch die Tür des Jack and Hammer trat, nicht bescheinigen, Melroses Tante Agatha.
Immer wenn sie Joanna Lewes sah, warf sie sich in die Brust und vergaß nie zu erwähnen, daß auch sie ein Buch in der Mache habe. »Die Welt wimmelt von verkannten Dichtern, Miss Lewes.«
»Ja, und von verdammt vielen bekannten. Entschuldigung.« Joanna verfügte sich zu ihren Bücher kaufenden Fans, einer Subspezies, zu der Lady Ardry nie gehört hatte, da ihr die Bibliothek ihres Neffen ausreichte, wenn sie denn überhaupt einmal ein Buch las.
»So was von hochnäsig«, murmelte Agatha verächtlich. »Das ist das Problem, wenn man berühmt wird. Was macht ihr beiden hier? Ah, da ist Theo«, fügte sie mit offenkundigem Mißvergnügen hinzu.
Theo Wrenn Browne konnte man wirklich nur dann etwas abgewinnen, wenn man ihn mit Agatha verglich. Er haßte dieselben Leute wie sie, außer Diane, um die er ständig herumschwänzelte. Theo besaß die einzige Buchhandlung im Dorf und hatte bis vor kurzem noch abgelehnt, Joanna Lewes’ Romane zu ordern.
Diane Demorney, keine ausgesprochene Menschenfreundin, wirkte neben Theo Wrenn Browne wie Mutter Teresa. Jetzt stand sie allerdings am Tresen und erteilte Dick Scroggs genau Instruktionen hinsichtlich des exakten Verhältnisses von Wodka und Wermut in ihrem Drink. Sie versäumte nie, ihren eigenen Wodka mitzubringen - eine Marke mit einem unaussprechlichen Mundvoll Konsonanten, »Wybrvka« oder »Zrbikow«, auf die sie schwor und die keiner führte. Sie sagte, es sei Büffelgraswodka, und es steckte auch wahrhaftig ein langer Halm undefinierbarer Herkunft darin. Trueblood behauptete, sie braue den Wodka in der Badewanne und zupfe das Unkraut dafür aus dem Garten.
Nach einem Blick auf Fenster verwarf Theo Wrenn Browne es als hochgestochen und schob es beiseite. Wenn Theo Wrenn Browne etwas noch mehr haßte als den kommerziellen Erfolg eines Schriftstellers, dann war es ein Literaturpreis für einen Schriftsteller. Als Inhaber von Wrenn’s Nest Book Shoppe riskierte er beständig, vom Schlag getroffen zu werden, umgaben ihn doch ringsum handfeste Beweise von beidem - und bei Autoren wie Updike, Brookner, Byatt, Ishiguro von beidem zusammen. Vertrackterweise mußte er den Mist verkaufen; damit bestritt er seinen Lebensunterhalt. Also konnte er sich nur mit dem Schicksal begnadeter Dichter trösten, denen zu ihren Lebzeiten weder das eine noch das andere zuteil geworden war - den Melvilles, Hart Cranes und Chattertons. Theo hatte vor Jahren selbst ein erstaunlich schlechtes Buch mit dem Titel Das letzte Rennen verfaßt. Es ging um Guerillakämpfe in Doncaster (was seine Verachtung für Ellen Taylor als »experimentell«, »avantgardistisch«, »minimalistisch« oder sonst was eine Idee heuchlerisch machte). Er hatte damals Joanna die Wahnsinnige dazu zu bewegen versucht, es ihrem Verleger zu schicken, aber sie hatte sich geweigert. Als sein Buch auch sonst nirgendwo veröffentlicht worden war, schloß er sich mit den Verkannten, Verleumdeten, Enttäuschten, ja sogar Selbstmordgefährdeten zusammen. Mißerfolg wußte Theo Wrenn Browne zu goutieren.
Natürlich verachtete er auch Joanna Lewes. Er war zwar bisher nicht willens gewesen, ihre Bücher ins Sortiment zu nehmen, inzwischen jedoch, von ihren einheimischen Fans genötigt, die neue Lewes zu führen. Und da er nicht verhindern konnte, daß der Schandfleck ihres Erfolges seinen Laden zierte, hatte er sich ein einfacheres Opfer seiner Wut gesucht: Miss Ada Crisp, deren Gebrauchtmöbelladen direkt neben Wrenn’s Nest lag. Inspiriert von Lady Ardrys juristischem Hickhack mit Jurvis, dem Fleischer, hatte er einen Anwalt aus Sidbury angeheuert. Und seine Notizen, die Dokumentation der Gefahren, die Miss Crisp (und ihr Rattenterrier) für das Dorf darstellte, lud er nun auf Melrose ab.
Melrose buddelte sich wieder frei. »Das kann nicht Ihr Ernst sein!«
Diese Einschätzung seiner Klage gegen Ada Crisp behag-te Theo Wrenn Browne keineswegs. »Wieso denn? Ihr Laden ist eine Gefahr für die Gemeinde. Der ganze Müll auf den Bürgersteigen, und der Köter schnappt nach allem, was sich bewegt!« Saß da und fuhr
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