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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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läßt eine Miss Brown mit solch einem himmelschreienden Unterfangen durchkommen? Ein Schulmädchen, das die Herren Akademiker an der Nase herumführen will!«
    »Chatterton hat es geschafft.« Jury sah sich wieder in der Tate, und das Bild vor seinem inneren Auge stimmte ihn traurig. »Oder hätte es geschafft?«
    »Da haben Sie recht. Aber Walpoles Reaktion, als er feststellte, daß er auf den Arm genommen worden war, ist Ihnen ja bekannt.«
    »Ein Schulmädchen war sie ja nun nicht gerade, Professor Lamb. Sie war achtundzwanzig und arbeitete an ihrer Dissertation.« So leichtfertig sollte man Beverly Brown nicht abtun, fand Jury. »Und wenn das Dokument Ihrer Prüfung standgehalten hat, warum sind Sie so sicher, daß es eine Fälschung ist?«
    »Oh, das bin ich ja gar nicht. Ich bin nur voreingenommen und meine, daß es nicht echt sein kann, weil es mir so unwahrscheinlich erscheint. Dr. Vlasic, der es mir vorlegte, behauptete, Beverly Brown habe es in einer Truhe gefunden. Also, ich bitte Sie.« Er schüttelte den Kopf.
    Jury lächelte. Das hatte Melrose Plant auch gesagt.
    »Was ist mit dem Papier, der Tinte, diesen Dingen? Ist es nicht schwierig, Papier aus der Zeit zu finden?«
    »Ja, aber nicht unmöglich. Fälscher benutzen manchmal Vorsatzblätter aus alten Büchern.«
    »Aber wir reden doch hier über mehr als eine einzelne Seite. Man brauchte eine ganze Anzahl Bücher, alle aus demselben Papier.«
    Owen Lamb dachte einen Moment nach. »Möglich ist ja, daß sie auf das Lager einer Papiermühle gestoßen ist, die zu der Zeit betrieben wurde. Vielleicht in England. Die Tinte, die sie benutzt hat - jetzt nehme ich selbstverständlich an, sie hatte das Manuskript geschrieben -, sieht mir allerdings nicht danach aus, als sei’s das gute alte Zeug. Sie hat diesen Stich ins schmuddelig Purpurne, der auf gefälschten Dokumenten gang und gäbe ist. Und Tinte, die vor der Mitte des letzten Jahrhunderts hergestellt worden ist, würde Anzeichen von Rost zeigen. Weil Eisen darin war. Davon sieht man in dem angeblichen Poe-Manuskript jedoch nichts. Andererseits hätte jemand so Erfindungsreiches wie Beverly Brown«, er lächelte ein wenig, »doch wohl keine Mühen und Wege gescheut, um die richtigen Zutaten zu finden. Wer weiß?« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht hat sie einen Stapel altes Papier gefunden und ist auf dumme Gedanken gekommen.«
    »Hat sie mit Ihnen je über ihre Freunde gesprochen?«
    »Kann schon sein. Aber ich habe nicht zugehört.« Er schaute sie an. Seine Augen schwammen, durch die dicken Brillengläser sahen sie wie Eulenaugen aus. Er wischte sich mit der Hand durchs Gesicht und setzte die Brille zurecht.
    »Was für eine Arbeit hat Beverly Brown für Sie gemacht, Professor Lamb?«
    Sein Stuhl bewegte sich knirschend nach vorn und stiftete einige Unordnung in einem Stapel Bücher neben einem Stuhlbein. Staub flog auf und setzte sich wieder. »Sie hat mir bei dem Index für mein Buch geholfen«, erklärte er, kniff sich in den Nasenrücken und rückte die Brille wieder an ihren Platz. Mit dem Arm deutete er auf ein Regal zu seiner Rechten. »Indizes sind langweilig. Sie ist vermutlich der einzige Mensch weit und breit, der außer mir in die tiefsten Tiefen einer Jahrhunderte alten Familie getaucht ist. Sie hat Geschichte und Literatur studiert.« Er kratzte sich auf seinem kahl werdenden Kopf und fragte Jury: »Wer ist heutzutage Fachbereichsvorsitzender?«
    Jury lächelte. »Das weiß ich leider nicht, Professor. Ich bin von Scotland Yard.«
    Owen Lamb fing an, in seinem Drehstuhl zu kippeln und die Daumen umeinander zu drehen. »Beverly schwatzte die ganze Zeit über Edgar Allan Poe. Irgendwelchen Unsinn, der mit den Geheimnissen zu tun hat, die Poe umgeben - vielleicht mit seiner Familie, ich weiß es nicht. Ich mache mir nicht allzuviel aus Poe, Sie? Dieses ganze Gruselzeugs. Aber Beverly mochte es. Einerlei, sie wollte, daß ich ihr bei der Familiengeschichte von jemandem half - Sie wissen schon, dieser Unfug mit dem Familienstammbaum. Heutzutage schick. Ich habe ihr gesagt, ich sei Genealoge, kein Familienhistoriker. Ich kriege jede Menge Anfragen von diesen stockpatriotischen Damen, die wissen wollen, ob ihre Groß-Groß-Groß-Tanten mit George Washington verkehrten.«
    »Wissen Sie noch, wer das war? An wessen Herkunft Beverly Brown interessiert war?«
    Lamb machte eine wegwerfende Handbewegung. »Beverly kramte die ganze Zeit in Poes Vorfahren. Sie hatte eine Ader für Genealogie -

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