Fremde Federn
Schwindel, der mich so rasch übermannt hatte, zu lindern, und von dem ich gehofft hatte, er werde mir zu nächtlicher Ruhe verhelfen, erhob ich mich, um die Ursache des Tumults zu erforschen.
Als ich in den Hof hinabblickte, entdeckte ich zwei Gestalten in dunklen Umhängen, die, ihren raschen Bewegungen nach zu urteilen, ein Duell miteinander auszufechten schienen. Ich hörte das Klirren, das Aufschlagen von Metall auf Metall und das Scharren der, wie ich annahm, Schwerter oder Rapiere.
Wer sie waren, wie sie hierhergelangt waren,
welches die Ursache ihres Streites war - auf diese Fragen war mir keine Antwort beschieden.
Darüber hinaus, wie Sie sich selbst überzeugen mögen -«
Hier wies er zum Fenster, ich beeilte mich, der Aufforderung Folge zu leisten, und trat an selbiges -»- ist der Hof von allen Seiten umschlossen.«
Und in der Tat: Die beiden Häuser - Monsieur P-s und das gegenüberliegende - wurden durch den gepflasterten Hof getrennt und zugleich rechts und links durch hohe Mauern miteinander verbunden. Einen Zugang boten nur die Türen zu den jeweiligen Gebäuden oder ein hohes Gittertor, mit Schloß und Riegel versehen, das, wie er mir versicherte, nie benutzt wurde. Einstmals mochte das Tor geöffnet worden sein, um Kutschen hereinzulassen, aber dem war nicht mehr so. Ich hielt die schweren Samtvorhänge zur Seite und schaute vom Hof hinauf zum Fenster, das wie ein Spiegelbild des unsrigen wirkte, und mir war, als sähe ich auch in diesem Spiegel eine Hand, die einen Vorhang zur Seite hielt, und ich wich zurück vor einer Nacht, die gleichfalls von dunklen Wohlgerüchen durchtränkt zu sein schien.
Aber das bedeutendste Geheimnis, das diese unerhörte Angelegenheit umgab, bestand nicht in der Frage, auf welche Weise sich die Duellanten Eintritt verschafft hatten, denn selbst wenn man davon ausging, daß sie durch die eine oder andere Tür in den verschlossenen Hof gelangt waren, blieb doch die Frage: Warum waren sie gekommen?
In diesem Sinne äußerte sich auch M. P-. Ich selbst schrieb diese seltsame Geschichte dem kombinierten Effekt der durchzechten Nacht, dem Fieber, das er sich anscheinend zugezogen hatte, und den Essenzen zu, die die Öle fortwährend in seinem Salon und höchstwahrscheinlich auch in seinem Schlafgemach verströmten. Denn auch ich spürte ja den Effekt, den die Atmosphäre des Raumes auf mich ausübte, eine Atmosphäre, die noch verstärkt wurde durch den Schein der Flammen, welcher die bemerkenswerten Bildwerke mit Purpurrot übergoß, und das perlende Licht, das der Kronleuchter warf -und ich fragte mich zusehends, ob diese Öle tatsächlich aus solch harmlosen Blumen und Kräutern gewonnen waren, wie er mich glauben gemacht hatte, oder ob es sich nicht doch um ein Opiat handelte, das aus den sonderbaren kleinen Glasschalen stieg.
Ich muß gestehen, ich fühlte mich wie in Trance, verzückt von der Stimme meines Gastgebers und seinen fiebrig glänzenden Augen. Dem leichten Wein, den er kredenzt hatte, hatte ich reichlich zugesprochen, doch die Trunkenheit, die meine Gefühle ängstlicher Beklemmung vielleicht abgemildert hätte, diente nun nurmehr dazu, diese Gefühle zu verstärken. Ich betrachtete meinen Gastgeber, der, die hohe Stirn in die schöne Hand gestützt, einigermaßen gefaßt dasaß. Hielt man mich zum Narren? War ich unter einem Vorwande hierhergelockt worden, über den ich nichts in Erfahrung bringen konnte? Er fuhr mit seiner Geschichte fort:
»Es folgte ein Schrei, das Aufblitzen eines Schwertes, als habe einer der Duellanten dem anderen einen Gegenstand aus der Hand geschlagen und durch die Luft gewirbelt. Der Gegenstand flog hoch und fiel dann herunter - etwas kleines Weißes oder Silbernes wie ein Blitz oder eine Scheibe des Mondes. Und dann ein Wort, auch das hochgeworfen wie eine silberne Scheibe - ein Name - Violette! - wurde regelrecht gegen mein Fenster geschleudert.« Er schwieg. »Dann - nichts mehr! Nichts! Der Nebel, der durch den Hof und um die Füße der Duellanten geweht war, stieg an und bedeckte das Ganze wie mit einem Leichentuch. Weder vermochten meine Augen diese weiße Düsternis zu ergründen, noch meine Ohren die schwere Stille zu durchdringen, die sich im Gefolge dieses einzigen hervorgestoßenen Wortes herabsenkte: Violette!
Sie mögen sich fragen«, fuhr mein Gastgeber fort, »warum ich nicht umgehend in den Hof hinabgestiegen bin, um nachzuschauen; aber ich glaubte, die Erscheinung sei gewiß das Resultat des Fiebers
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