Fremde Federn
und wurde dabei immer gesprächiger, immer ernster. »Sie war verdammt clever. Davon kann Ellen ein Lied singen; Bev war in einigen ihrer Seminare. Sie wissen ja, selbst wenn diese Geschichte nicht echt ist - hm, aber was für ein Spitzenthema für eine Dissertation, was? Beverly brannte darauf, an einer Ivy League-Universität zu arbeiten. Unsere Version, nehme ich an, von Oxbridge.«
»Aha? Das finde ich nicht besonders aufregend für eine Frau, die so ehrgeizig ist.«
Muldare lachte. »Gut, aber Sie sind keine Frau, und allemal keine schwarze Frau. Und es ist tausendmal besser, wenn Sie diesen Job aufgrund Ihrer eigenen Verdienste und nicht als Vorzeigeobjekt für eine Quotenregelung kriegen.«
»Glauben Sie denn, sie ist echt?«
»Die Poe-Geschichte? Nein. Wie die Chancen stehen, wie könnte sie?«
»Ich weiß nicht, wie die Chancen stehen. Aber wie beurteilen Sie die Tatsache, daß sie sie gefunden hat?«
»Sie meinen, ob sie sie gefunden hat?«
»Nein, eigentlich eher, ob sie die Fähigkeiten hatte, ein solches Manuskript zu fälschen?«
»Fähigkeiten?« Muldare zuckte mit den Achseln. »Den Nerv?« Er lächelte. »Ja. Mut hat Bev immer gehabt. Aber für so etwas braucht man mehr als starke Nerven. Sie müssen verdammt intelligent sein, um so ein Ding durchzuziehen.«
»Was noch die Frage ist. Clever müßte man sein, ja. Aber intelligent ...?«
Patrick Muldare lachte wieder. »Alle Wetter, Sie werfen nicht gerade mit Lob um sich. Ich könnte so was nie.«
»Sie sind kein Poe-Spezialist. Sie sind kein ehrgeiziger, junger schwarzer Student. Und ich frage mich, ob die pure Dreistigkeit einer solchen Fälschung uns nicht zu dem Glauben verleitet, daß sie echt ist - ob wir es nicht einfach deshalb glauben, weil es so dreist und scheinbar undenkbar ist, daß einer sich eine komplette Erzählung aus den Fingern saugt. Angenommen, das Manuskript hält ein paar Prüfungen stand. Strengen Prüfungen, davon gehe ich aus. Trotzdem ...«
»Jetzt komme ich nicht mehr mit. Was hat das mit dem Fall zu tun, den Scotland Yard untersucht?«
»Vielleicht nichts, was das Manuskript selbst anbelangt. Aber Miss Brown war der Auffassung, daß zwischen dem Obdachlosen, der in Baltimore erstochen, und Philip Calvert, der in Philadelphia ermordet wurde, eine Beziehung bestand. Sie meinte, die beiden Morde hätten etwas miteinander zu tun.«
Muldare, der sich ständig bewegen zu müssen schien, warf den Football hoch, fing ihn auf, warf ihn wieder hoch. »Sie reden über die Initialen. Einschließlich - unter Umständen - meiner?«
Jury nickte. Als Muldare schwieg und nur noch den Ball drehte, fragte Jury: »Glauben Sie, daß Ihr Bruder irgend etwas darüber weiß, was sie in der fraglichen Nacht gemacht hat? Ich weiß, er hat mit der Polizei gesprochen, aber -«
»Mein Stiefbruder. Alan ist mein Stiefbruder. Ich habe keine Ahnung, was in der Nacht passiert ist, aber natürlich kannte er sie.« Er drehte den Kopf und rieb sich den Hals.
»Seine Mutter hat meinen Vater geheiratet. Es war -schwierig. Für Alan, meine ich. Alle waren ein Herz und eine Seele. Nur Alan nicht. Er mag mich nicht besonders. Zum einen habe ich das Geld.«
»Verstehe.«
»Nichts verstehen Sie. Ich meine viel Geld. Altes Geld. Sehr altes Geld. Eine Menge -« Er malte ein Dollarzeichen in die Luft. Schien sich zu entschuldigen, sich schuldig zu fühlen.
»Aber trotzdem unterrichten Sie.«
»Na, das tue ich, weil es mir gefällt. Und viel tue ich auch nicht.« Er grinste. »Fragen Sie meine Studenten, die werden es Ihnen bestätigen.« Das Grinsen verschwand. »Alan wurde ein bestimmtes Vermögen zur Verfügung gestellt, aber das hatte er bald verpulvert. Er hat keine Ader fürs Geschäftliche. Er ist nicht dumm, das sicher nicht. Nouveau Pauvre war seine Idee. Aber anscheinend benutzt er seinen Verstand nicht dazu, sich etwas Dauerhaftes aufzubauen. Er brauchte unerschöpfliche Geldquellen, um seine Phantasien auszuleben. Das Problem ist, er hat sie nicht, und ich habe sie, womit ich ihm nicht gerade sympathischer werde.«
»Und Beverly Brown?«
»Wie meinen Sie das?«
»War er auf Ihre Beziehung mit ihr eifersüchtig?«
»Ja.« Eine Silbe, kurz und knapp. Das war’s an Hilfestellung.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Jury wartete.
Muldare studierte den Ball und sagte dann: »Ich muß gestehen, verübeln kann ich es ihm nicht. Er hatte sie schließlich zuerst gesehen.«
Jury lachte, er konnte nicht anders - der Satz erinnerte ihn
Weitere Kostenlose Bücher