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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Männer nicht dazu, sie auch nur ein bißchen zu beachten. Und ich will Ihnen ehrlich sagen: Nicht mal damit kriegte sie einen, ich meine, einen festen Freund. Trotzdem könnte ich Ihnen ein paar Namen nennen. Was nicht unbedingt heißt, es wären alle.«
    »Vi! Wie kannst du so schrecklich über Dorcas reden!« Wieder ein Schwall Tränen. Als sie sie abgewischt hatte, sagte Colleen: »Ich geh mal besser und seh zu, daß dein Da sein Abendessen kriegt.« Sie stand auf, ging aus dem Zimmer und kam nach kurzer Zeit wieder zurück.
    Offenbar war sie die einzige, die den Tod der Tochter betrauerte. Wieder empfand Jury Mitgefühl für sie. Violet hätte ihm ihr hartes Urteil über Dorcas ja auch unter vier Augen anvertrauen können. »Dorcas will.« Wäre Dorcas hübsch und verführerisch oder auch nur lieb und brav gewesen, wäre ihr Ende traurig genug gewesen, aber der Mangel an diesen Eigenschaften machte ihr unglückliches Liebesleben und ihren Tod um so schrecklicher.
    »Warum haben Sie das nicht in Ihrer Aussage gegenüber der Kripo - Verzeihung, den Bullen erwähnt?« fragte er Violet.
    »Sie lernen ja fix«, sagte sie und musterte ihn kokett von oben bis unten. »Eines kann ich Ihnen sagen«, fuhr sie fort. »Von hier war es keiner, ich meine, hier aus Spalding. Sie suchen besser dort, wo sie gearbeitet hat.«
    »Fengate, meinen Sie?«
    »Dort und im Pub. Im Case Has Altered. Kennen Sie das?«
    Jury nickte. »Wieso sind Sie Ihrer Sache so sicher?«
    »Weil sie so geredet hat. >Diesmal hab ich mir einen richtigen Mann geangelt<, hat sie gesagt. Womit die Typen hier in der Gegend ja wohl nicht in Frage kamen.« Vi kicherte. »>Ich kann den Tag nur loben, an dem ich den Job genommen habe.< Sie beließ es immer nur bei solchen Andeutungen. Aber damit muß sie Fengate oder den Case oder was in der Gegend gemeint haben.«
    »Ihre Mutter sagt, Dorcas sei in den letzten Wochen vor ihrem Tod >schnippisch< gewesen. Fanden Sie das auch?«
    »Ay, das war Dorcas, wie sie leibte und lebte. Ich meine, wochenlang vorher hatte sie immer richtig gute Laune, und dann änderte sich das schlagartig.«
    »Irgendeine Idee, warum?«
    Violet zuckte die Achseln und sagte: »Vielleicht hat der Typ sie abserviert.«
    »Wenn sie aber ehrlich geglaubt hat, sie sei schwanger -«
    Das wischte Vi mit einer fahrigen Handbewegung beiseite. »Ach, kommen Sie, da hat sie genauso gelogen wie über ihre Erlebnisse mit all den Männern, die ihr den Hof machten.«
    Jury lächelte über die altmodische Art, es auszudrücken. Den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage bezweifelte er indes. Viel eher glaubte er, daß Dorcas tatsächlich eine Scheinschwangerschaft gehabt hatte. »Wer ist Ihr Arzt, Vi?« Jury zog ein kleines Ledernotizbuch aus seiner Innentasche.
    »Dr. McNee. Aber bilden Sie sich bloß nicht ein, Dorcas wäre zu dem gegangen. Um Gottes willen!«
    In dem Augenblick kam Trevor, der sein Abendessen eingenommen hatte und einen Zahnstocher im Mund rollte, mit einem dicken Buch ins Wohnzimmer. Mit dem Finger als Lesezeichen darin, setzte er sich und schlug es auf, keineswegs bereit, sich nun auf ein Gespräch mit der Polizei einzulassen. Die Frauen waren an seine schlechten Manieren offenbar schon gewöhnt. Colleen fragte ihn, ob ihm das Essen geschmeckt habe.
    »Ay.«
    Dann stellte sie Jury noch einmal als »Inspector« vor, was ihm ja nicht neu war.
    Trevor warf dem »Inspector« über das Buch hinweg einen Blick zu. »Ay.«
    »Er möchte uns eventuell ein paar Fragen stellen. Er ist von Scotland Yard, Da.«
    Trevor nickte und las weiter. Jury nahm es nicht persönlich, denn mit seinen Angehörigen sprach Trevor ja auch im Telegrammstil.
    Vi gab nicht auf. »Er meint, vielleicht wäre uns noch was eingefallen, seit der andere Polizist hier war. Vielleicht weißt du was.«
    »Ich weiß nichts.« Trevor schüttelte den Kopf und hob nicht einmal den Blick von der Buchseite.
    Überraschend fand Jury nur, daß er sich offenbar wirklich in das Buch vertieft hatte und es nicht einfach nur als Schutzschild gegen Scotland Yard benutzte. Man sah es an seinen Augenbewegungen. Jury konnte sich allerdings nicht vorstellen, daß er wirklich mitbekam, was er las, wenn drei Leute im Zimmer versuchten, ihn zum Reden zu bringen. Die mitfühlende Bemerkung, die Jury auf der Zunge gelegen hatte, blieb ungesagt. Trevor Reese brauchte sie allem Anschein nach nicht. Er war klein und hager, hatte dunkles Haar, einen Zahnbürstenschnurrbart und einen Teint von chaplinesker

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