Fremde Federn
hat immer den einen oder anderen jungen Mann im Schlepptau. Ich will nicht schlecht über mein eigenes Kind reden, aber Sie müssen wissen, Dorcas war nicht hübsch. Hinter ihr waren die Männer nicht so her wie hinter Violet. Das ist nicht ihr richtiger Name. Richtig heißt sie Elspeth, nach Trevors Mutter. Aber sie haßt den Namen, hat ihn immer gehaßt, also erzählt sie uns eines Tages Knall auf Fall, daß sie von jetzt an >Violet< heißt, Veilchen, >aber nicht bescheiden, sittsam und fein<, hat sie gleich dazugesagt. Vi ist die Nüchterne, sie weiß, was sie will.« Nun legte Colleen ausführlichst Violets viele Tugenden dar.
Jury ließ Zeugen immer ihren eigenen Gedankengängen folgen. Wenn sie einfach drauflosredeten, verrieten sie oft etwas. Violet hatte also an jedem Finger einen, Dorcas keinen einzigen.
»... und Sie können sich ja vorstellen, daß Dorcas manchmal ein bißchen eifersüchtig wurde.«
»Und trotzdem gab es doch einen Burschen. Vielleicht nicht der ihre - aber den sie sehr mochte.«
Colleen nickte heftig. »Da hat sie, glaube ich, nicht gelogen, Inspector. Was war sie vor einer Weile so fröhlich! Wochenlang, ganz anders als sonst.«
»Mrs. Suggins, die Köchin in Fengate, sagt auch, daß Dorcas eine Zeitlang mopsfidel wirkte, aber zuletzt dann doch ziemlich bedrückt und nervös. Fällt Ihnen etwas ein, das diesen Stimmungsumschwung erklärt?«
Sofort schüttelte sie den Kopf. »Nein, nur daß es ein Mann war. Aber wer, weiß ich nicht. Und was wirklich vorgefallen ist, keine Ahnung. Und es stimmt, ein, zwei Wochen vor ihrem - Tod war sie schrecklich schnippisch uns gegenüber. Eher wie die alte Dorcas. Ich dachte, sie und ihr Galan hätten sich gestritten. Ich meine, wenn es einen gab.«
»Würde ich schon sagen. Ich kann einfach nicht glauben, daß alles nur Wunschdenken war. Aber ob er wirklich wußte, was sie für ihn empfand, hm, das steht wieder auf einem anderen Blatt.« Draußen in der Küche pfiff ein Kessel.
Colleen schaute nach hinten. »Kein Problem. Der stellt sich von alleine ab. Ich weiß gar nicht, was ich gemacht habe, bevor wir diesen elektrischen hatten.«
»Ich will Sie nicht länger aufhalten«, sagte Jury und erhob sich.
Sie bedeutete ihm rasch, sich wieder zu setzen. »Nein, nein, es ist alles fertig, und Trevor muß jeden Moment nach Hause kommen. Violet auch. Sie kommen immer um diese Zeit zum Abendessen.« Sie machte eine Pause, schürzte die Lippen und überlegte. »Hören Sie, es ist genug da, und die Kripo muß ja nun essen wie alle anderen auch. Warum bleiben Sie nicht?«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber -«
»Na, Ihre bessere Hälfte kocht wohl besser als ich«, sagte sie mit koketter Kopfbewegung und einem eigenartigen Blick.
Fast hätte Jury gelacht. Aber er konnte sie beruhigen und ihr etwas Erfreuliches mitteilen. »Ich bin nicht verheiratet, Colleen.«
Prompt zwitscherte sie ein paar Schmeicheleien. »Was? So ein gutaussehender Mann wie Sie? Die Mädchen müssen blind sein!« Während sie weiter Süßholz raspelte, überlegte Jury, ob er ihre Einladung annehmen sollte, um noch mit Trevor und der Schwester zu reden. Aber es würde wohl weniger zu einem wirklich erhellenden Gespräch kommen, als vielmehr dazu, daß sie alle um den Tisch herumsaßen und die Mutter ein Loblied auf Violets Talente sang, die nur noch der Bewährung in der Ehe harrten.
»Übrigens kann Dorcas sehr wohl gedacht haben, sie sei schwanger, es gibt ja so was wie eine Scheinschwangerschaft.«
»Eine was?« Das schien Colleen neu zu sein.
»Frauen können sich eine Schwangerschaft einbilden. Und dann haben sie dieselben Symptome wie bei einer echten: morgendliche Übelkeit, Völlegefühl und so weiter.«
Colleen fuhr sich mit der Hand an die Wange, wo sich rosiges Erröten ausbreitete. »Neun Monate lang?«
»Das weiß ich nicht, ich glaube aber nicht.«
»Und Sie meinen, unsere Dorcas hätte vielleicht so was gehabt?«
»Keine Ahnung. Wenn sie sich selbst eingeredet hat, sie sei schwanger, zeigt das doch nur, wie sehr sie ein Kind wollte.«
Da mußte Colleen lachen. »Die nicht! Sie hat immer rumgemeckert, ihre Freundin Sheila hätte nur noch Windeln im Kopf und sei Tag und Nacht auf den Beinen. Nein, Dorcas war nie scharf darauf, Mutter zu werden.«
Jury beugte sich vor. »Aber auf irgend etwas muß sie sich gefreut haben, Colleen. Vielleicht die Ehe. Diesen Mann zu kriegen, den sie für den Vater hielt.« Er wurde von einem aufgeregten Schnattern an
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