Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
der Haustür unterbrochen. Das Gebrumm kam wohl von Trevor, dem Vater.
    Violet wehte herein - dieser Ausdruck paßte, dachte Jury, nicht weil sie biegsam und geschmeidig war, sondern weil sie auf eigentümliche Weise beinahe körperlos wirkte. Sie flatterte von Ort zu Ort - vom Flurtisch, wo sie die Post durchwühlte, ob was für sie dabei war, in die Küche, um zu sehen, ob sie das Abendessen mochte, zum Spiegel über dem Kaminsims, um zu prüfen, ob ihr der Anblick gefiel. Ja, gefiel ihr. Sie warf sich das dünne hellbraune Haar über die Schultern. Sie hatte ein hübsches Gesicht, wenn auch ohne eine Spur von Charakter, genau wie auf den Fotos. Sie war mollig, besaß aber sozusagen keine Dichte. Schließlich tänzelte sie zum Sofa und ließ sich hineinplumpsen.
    Trevor, die Sturheit in Person, blieb in der Tür stehen und ließ sich vorstellen. Gänzlich unbeeindruckt von Scotland Yard fragte er nur, ob das Abendessen fertig sei, und schlurfte von dannen.
    Violet war für beide genug beeindruckt. »Ihr habt über Dorcas geredet, stimmt's? Also, damit eins klar ist: Es ist eine Schande, daß die Frau völlig unbehelligt davongekommen ist. Das möchte ich mal gesagt haben.« Dachte sie, Jury sei von der Presse?
    Freundlich sagte er: »Es gab nicht genügend Beweise, sie anzuklagen. Vermutlich ist sie unschuldig.«
    Violet machte eine verächtliche Handbewegung. »Die mit Geld werden nie verurteilt.«
    »Vi, wir haben über -«, Colleen schaute sich um, ob jemand lauschte, »darüber gesprochen, daß Dorcas gesagt hat, sie wär schwanger, obwohl es nicht stimmte.«
    »Also, ich glaube, es war bloß eine von ihren ewigen Geschichten.«
    »Nein, sie kann es wirklich geglaubt haben.« Beinahe wortwörtlich wiederholte Colleen nun Jurys Geschichte von der Scheinschwangerschaft. Punkt für Punkt, was er ihr gar nicht zugetraut hätte.
    In ihrem nervösen, affektierten Ton sagte Violet: »Ein Baby? Dorcas und ein Baby? Daß ich nicht lache! Alles, nur das nicht. Sie konnte Kinder nicht ausstehen. Sie hat immer gesagt, die sind nur gut zum Schreien und Verdreschen, basta.«
    »Es überrascht Sie deshalb gar nicht«, sagte Jury, »daß sich nun herausstellt, daß sie nicht schwanger war?«
    »Bei Dorcas überrascht mich nichts. Sie hat immer rumgesponnen. Sie war so was von nervig, ich konnte nie unterscheiden, was stimmte und was nicht. Schlaflose Nächte habe ich aber nicht darüber verbracht.«
    Den Tränen nahe, sagte Colleen: »Schäm dich, Violet Reese, daß dir deine arme Schwester so egal ist.«
    »O Mum«, stöhnte Violet, als Colleens Tränen nun reichlich flossen.
    Um einem Familienkrach zuvorzukommen, sagte Jury: »Hat sie mal so von einem Mann gesprochen, daß Sie dachten, sie sei intim . ich meine, daß sie mit ihm geschlafen hat?«
    Vi glitt tiefer in die Sofakissen und brach in ersticktes Gelächter aus. Als sie sich endlich wieder aufrichtete, sagte sie: »Da sie ja in der Gesamtschule war, hatte sie einen gewissen Ruf.«
    Colleen war empört. »Violet, jetzt paß aber auf, was du sagst!« schimpfte sie.
    »Entschuldigung, Mum.« Dann schaute Vi Jury an und sagte: »Sie hat über fast jeden Mann so gesprochen.«
    »Das verstehe ich nicht. Ich dachte, Dorcas habe, hm, auf Männer nicht so anziehend gewirkt.«
    »>Anziehendanzie-hend< sein muß, wenn man will? Sie war einfach mannstoll. Tut mir leid, Mum. Ich möchte dich nicht traurig machen, aber schließlich ist er Bulle - wenn Sie den Ausdruck entschuldigen«, sie verneigte sich ein wenig, »und der Kripo wollen wir doch nichts verheimlichen.« Zu Jury vorgebeugt: »>Arme Dorcas< ist schon ganz richtig. Sie ließ, kann man wohl sagen, alle ran. Die Jungs in der Schule haben immer gesagt >Dorcas will<. Das hatten sie aus einem Buch von -wie heißt er noch gleich?« Als sie nun ihre glatte Stirn runzelte, sah es beinahe so aus, als denke sie nach.
    Jury half nach. »Charles Dickens. David Copperfield.«
    »Genau, der! Dickens. Da kommt doch dieser alte Knacker drin vor, der fast nie was sagt. Der heißt Barkis. Als er dem Dienstmädchen einen Heiratsantrag machen will, schickt er ihr eine Nachricht: >Bar-kis will.< Und die Jungs haben dann ihren Namen eingesetzt.«
    Colleen wurde blaß, preßte sich das Taschentuch vor den Mund und sagte: »Es steht dir nicht zu, das jetzt breitzutreten, Vi. Es geht um deine arme tote Schwester.«
    Das hatte Violet oft genug gehört, sie ignorierte es. »Sie tat mir leid. Aber anders kriegte sie

Weitere Kostenlose Bücher