Fremde Federn
Da sie nun sozusagen einen Fuß in der Bresche hatte, versuchte sie, Jurys Aufmerksamkeit voll und ganz zu erringen. Sie klopfte mit den Fingern die Sessellehne auf und ab, als übe sie Tonleitern. Ihre Hände waren gefährlich nahe an Jurys Hand. Den Kopf hielt sie gesenkt, als folge er dem Tun ihrer Füße oder Finger und als seien diese eine Quelle unendlicher Faszination.
Jury gelang es schließlich, Peter Emery von Schottland auf die Morde zu bringen. »Was für eine entsetzliche, entsetzliche Tragödie das doch alles ist«, sagte dieser.
»Mochten Sie sie?«
»Ach, sie war wahrscheinlich schon ganz nett.«
»Nein, war sie nicht, Onkel Peter. Das hast du selbst gesagt.«
Emery errötete und lächelte. »Kindermund tut Wahrheit kund. Gut, ich habe gelogen. Zel hat recht, ich mochte sie nicht. Aber man will ja über Tote nicht schlecht sprechen.«
»Das hat bisher noch niemanden, mit dem ich geredet habe, gehindert, genau das zu tun«, sagte Jury lächelnd.
»Ich habe nicht schlecht über sie gesprochen«, mischte Zel sich ein.
Peter sagte: »Damals hieß sie Verna Owen. Mit Grace ist Max erst seit sechs, sieben Jahren verheiratet. Grace ist reizend. Aber Verna . ich verstehe, daß er sich hat scheiden lassen -«
»Er? Wollte er die Scheidung?«
»Sie bestimmt nicht«, schnaubte Peter Emery. »Die nicht. Dazu hatte Max zuviel Geld. Sie verschob die Leute. Ich meine, sie schob sie hin und her wie Schachfiguren. Für sie war es auch so. Das Leben war ein Spiel.«
»Sie sind schon seit zehn Jahren hier, haben Sie gesagt?«
»Seit elfeinhalb. Seit elf Jahren und vier Monaten«, fuhr Zel dazwischen. Diese supergenaue Angabe mußte doch den Scotland-Yard-Beamten erfreuen.
»Kannten Sie Verna Owen gut? Ich meine, hatten Sie persönlich viel mit ihr zu tun?«
»Nein, nur soviel, daß ich sie nicht mochte.«
»Offenbar war sie nicht sehr beliebt.«
»Mit gutem Grund.«
»Zum Beispiel?«
»Sie machte alles kaputt. Wissen Sie -« Emery fiel ein, daß seine Nichte anwesend war, und er sagte: »Zel, du wolltest uns doch einen Tee machen.«
»Nein«, erwiderte sie und hielt sich damit wiederum streng an die Fakten. Nun stand sie mit dem Rücken zu Jurys Sessellehne, legte den Kopf so weit wie möglich zurück und schaute Jury verkehrt herum an. Dann aber dachte sie anscheinend, daß sie mit dem Tee Punkte machen konnte, und sagte zu Jury (und nur zu ihm): »Möchten Sie Tee?«
»Na, klar doch«, sagte er mit gewinnendem Lächeln. »Und kriegen wir wohl auch was von dem Pflaumeneis?«
Da wurde sie unsicher und schaute von ihrem Onkel zu Jury, der, wenig hilfreich, seine sachliche Miene beibehielt. »Es ist noch nicht fertig. Es muß noch gehen.« Sie überlegte. »Es muß sich vermischen.«
»Wirklich? Aber wenn ich mich recht entsinne, hat
Major Parker gemeint, es sei schon gut durch. Zum unmittelbaren Verzehr geeignet. Jetzt. Sofort.«
»Zel!« Richtig böse war ihr Onkel nicht, es war ihm nur ein wenig peinlich. »Nennst du das Gastfreundschaft?«
Da rannte sie wie der Blitz in die Küche.
»Und wehe, du hängst an der Tür rum, Mädchen. Mach uns den Tee und bring das Eis mit!« rief der Onkel ihr nach.
Ein Höllenlärm erhob sich, Gläser klirrten, Metall, Teller und Tassen und Kessel klapperten, als wolle Zel ihrem Onkel kundtun, daß sie beschäftigt war und keine Zeit hatte, an Türen herumzuhängen.
Als sie außer Hörweite war, sagte Peter Emery: »Ich will nicht, daß sie sich an mir ein Beispiel nimmt, daß sie lernt, Menschen zu hassen. Zel ist so leicht zu beeindrucken.«
Jury lächelte. Das bezweifelte er ernsthaft. Aber Peter Emery wäre nicht der erste Erwachsene, der den ihm anvertrauten Schützling falsch einschätzte. »Sie haben gesagt, daß sie >alles kaputtgemacht hat<.«
»Ja, ja, so war sie. Sie pfuschte anderen Leuten einfach gern ins Leben, aus reiner Boshaftigkeit.«
»Und hat sie versucht, in Ihres zu pfuschen?«
Peter drehte sich mit dem Gesicht zu der blassen Glut des allmählich verlöschenden Feuers. »Versucht hat sie es, das bestimmt.«
Als er das nicht weiter ausführte, fragte Jury. »Sexuell?«
Peter antwortete nicht direkt. »Sie ist mehrere Male hier gewesen. Zuerst war es, schien es jedenfalls -völlig harmlos. Sie wollte Auskünfte über Mr. Parkers Land haben. Angeblich überlegte sie, ob sie ihn bitten solle, ihr ein paar Morgen zu verkaufen. Totaler Stuß. Dann wurde sie, hm, ziemlich freundlich.«
»Sie meinen, sie hat versucht, Sie zu
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