Fremde Federn
wütend aufeinander waren?« Nicht zum erstenmal fragte Jury sich, ob Max Owen wirklich die Ursache war. Das war das Problem: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Er mußte das Gesicht verzogen haben, denn Parker fragte: »Ist was, Superintendent?«
»Nein, nein. Dieser Streit, was -?«
Parker schüttelte den Kopf. »Beim Essen haben sie kaum miteinander gesprochen. Obwohl das selbst ja schon etwas aussagt. Ich habe natürlich gar nicht auf entsprechende Anzeichen geachtet, ich kann sie völlig verpaßt haben.«
»Falls ja, ging es allen anderen genauso. Welches Thema konnte so explosiv sein, daß Jennifer Ken-nington Verna Dunn erschoß?«
»Oh, hat sie sie denn erschossen?«
»Ich hätte >mutmaßlich< sagen sollen. Ich bin mittlerweile schon so an die Version der Kollegen aus Lincoln gewöhnt.«
»Wo war dann aber um Himmels willen die Waffe - eine Schrotflinte noch dazu? Oder war es ein Kleinkalibergewehr? So leicht sind doch beide nicht in einer Handtasche zu verstecken.« Parker stand schon wieder auf, um ihnen nachzuschenken.
»Man könnte ja argumentieren, die Waffe, das Gewehr, sei schon im Auto gewesen oder am Wash hinterlegt worden.«
Parker ließ sich wieder auf dem kleinen Sofa nieder und fuhr ein paarmal mit dem Pfeifenreiniger durch die Pfeife. »Da ergibt sich aber meines Erachtens mehr als ein Schwachpunkt. Soweit ich die Geschichte kenne, sind Jennifer Kennington und Verna Dunn zusammen in Vernas Auto gestiegen und zum Wash gefahren. Genauer gesagt, zum Fosdyke's Wash. Bisher kannte niemand den Namen, und jetzt ist er so berüchtigt. Dort erschoß Lady Kennington Verna Dunn, stieg ins Auto, fuhr zurück nach Fenga-te und parkte es so weit weg in der Einfahrt, daß es niemand gehört hat. Dann tauchte sie irgendwann nach dreiundzwanzig Uhr wieder in Fengate auf, mit einer, wie die Kripo behauptet, eigenartig windigen Story, sie sei zum Case gegangen, das heißt fast bis zum Case, und dann wieder zurückgelaufen.«
Jury nickte. »So sieht Chief Inspector Bannen die Sache.«
»Also, ich finde Ihre Geschichte glaubwürdiger als die von Ihrem DCI Bannen.«
Jury lachte. »>Mein< DCI Bannen ist er nicht.« Er ließ den Whisky im Glas kreiseln und hielt es ein wenig in die Höhe, damit sich das safranfarbene Licht des Kaminfeuers darin einfing. »Aber er ist verdammt clever. Er nimmt sich selbst so weit zurück, daß man das leicht vergißt. Und Sie müssen bedenken, Sie haben Fengate um elf oder fünf nach elf verlassen. Warum sind Sie ihr dann nicht begegnet?«
Parker hörte mitten im Pfeifenstopfen auf. »Ja, stimmt. Warum nicht?«
»Und gibt es wirklich keinen anderen Weg? Woanders kann sie nicht zurückgegangen sein?«
Parker zog die Stirn in Falten. »Ach, den einen oder anderen ollen Pfad von hier nach dort gibt es schon. Aber warum hätte sie den nehmen sollen?«
»Spielt eh keine Rolle. Sie behauptet, sie ist über den Fußweg gegangen.«
Parker lehnte sich zurück. »Dann lügt einer von uns beiden.« Als Jury nur nickte, fragte Parker: »Sind Sie deshalb hier?«
Jury lachte kurz auf. »Nein. Ich sehe nicht, daß Sie eine großartige Gelegenheit hatten. Es sei denn ... Sie sind nach Hause geflitzt, sofort ins Auto gestiegen und zum Wash gerast.«
»Möglich wäre es, stimmt's? Der genaue Zeitpunkt des Todes steht noch nicht fest, oder?«
»Erste Frage ja, zweite Frage nein. Und es gibt lediglich ein Paar Reifenspuren. Und dann das Motiv. Verna Dunn war zwar nirgendwo beliebt, doch es gibt keine Beweise dafür, daß irgend jemand anderes ein Motiv hatte. Max, Grace - sie wären die wahrscheinlichsten Kandidaten, aber da mangelt es nun wirklich an der Gelegenheit. Zumindest im Fall von Max Owen.«
»Was ist mit Dorcas Reese? Wie paßt sie denn da hinein?«
»Das ist ein noch größeres Rätsel. Sie ist nicht erschossen, sondern erdrosselt worden. Stranguliert. Lady Kennington behauptet, sie sei in Stratford gewesen, aber natürlich hat die Kripo sofort darauf verwiesen, daß man mit dem Auto in ein paar Stunden von Stratford aus hier sein kann.«
»Aber damit stutzen sie sich die Dinge doch so zurecht, daß sie passen.«
»Sieht ganz so aus. Doch niemand hat eine bessere Idee.« Jury stellte sein Glas hin. »Ich habe natürlich gehofft, daß Sie sich an etwas erinnern, das uns weiterhilft. Jenny ist eine gute Freundin von mir. So, jetzt muß ich aber mal los.« Jury erhob sich, Parker ebenfalls. »Ich dachte, ich rede auch noch mit Ihrem ... Verwalter, ist das richtig? Peter
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