Fremde Gäste
finde wirklich, er ist ein kaltblütiges, berechnendes Ekel«, sagte Tony zu mir. »Er verteilt Belobigungen, als ob er der König selber wäre. Diese modernen Typen kann ich nicht ausstehen.«
Ich wagte zu entgegnen, daß sie selbst ganz schön modern sei. Aber sie behauptete, besonders diese Leute von der Universität gingen ihr auf die Nerven. »Die lassen nur sich selbst gelten und versuchen nicht, irgend etwas zu tun. Dabei analysieren sie alles und jeden.«
Ich stellte fest, daß ihre Erfahrungen mit Studenten doch eigentlich recht begrenzt seien, doch sie meinte: »Ach, die treiben sich überall herum, verfolgen ihre Ziele oder was sie dafür halten. Von der Sorte habe ich auf meinen Trips mit Daddy eine Menge kennengelernt.«
»Trotzdem. Wir wollen froh sein, daß wir vier so nette Burschen in der Umgebung haben. Joe hat natürlich immer hier gelebt, aber Graham ist doch eigentlich ein Zugereister, und noch dazu ein netter. Wir müssen uns nach ein paar Mädchen umschauen, dann kannst du ein paar kleine Partys veranstalten.«
»Das ist eine gute Idee! Das werde ich Peter erzählen; hoffentlich kommt er auch. Leider hat er nur jetzt gerade soviel zu tun.«
»Ach, er wird dir für den Winter ein bißchen Spaß gönnen. Ich hörte neulich, wie Graham sagte: >Himmel, wenn man doch nur eine Party veranstalten könnte. Im Winter ist’s hier sterbenslangweilig!<«
Tatsächlich fanden wir leicht noch einige andere junge Leute, und alle miteinander gestalteten die winterliche Zeit höchst fidel. Graham Ford war der Spiritus rector. Es war sein erster Winter im Hinterland, und er wollte sich keinesfalls einfrieren lassen. Er hatte Trix Palmer kennengelernt und führte sie so triumphierend bei den anderen ein wie ein Zauberer, der ein Kaninchen aus seinem Hut hervorholt. Trix war eine nette kleine Person; sie kam gerade aus dem Internat und sehnte sich nach heiterer Unterhaltung. Sie war die Tochter eines neuen Farmers, der nur zehn Kilometer von Tiri entfernt eine Schaffarm gekauft hatte, und sie war fest entschlossen, den Beruf einer Krankenschwester zu ergreifen. Aber sie war erst siebzehn, und ihre Eltern hatten vorgeschlagen, sie solle vorher ein Jahr bei ihnen daheim verbringen, und Trix hatte großmütig zugestimmt. Sie war ein sehr nettes junges Ding und sehr bereit, die beiden Mädchen im Supermarkt anzuschwärmen.
David bewunderte sie anfangs aus der Ferne, aber mit den drei anderen Burschen stand sie bald auf sehr gutem Fuß. Sie erzählte ihnen auch von Beth Hardy. »Die ist so nett. Sie ist hierhergekommen, um die Landwirtschaft zu erlernen, und hilft Mrs. West bei den Kindern. Nächsten Freitagabend bringe ich sie zu Tony und Miranda. Da müßt ihr auch hinkommen!« Graham lachte, aber er kam.
Nun waren sie ein fester Kern von vier jungen Paaren; wie sie allerdings zusammenpaßten, konnte ich mir nicht recht vorstellen. Dann und wann kam ein neuer Bursche oder ein Mädchen hinzu, aber im Grunde blieben die acht eine Gruppe, die immer auf irgendwelche Unternehmungen aus war. Doch waren sie beinahe altmodisch in ihren bescheidenen Vergnügungen. Gleich anfangs erklärte Tony: »Peter kann öfter nicht mitkommen, aber es macht ihm nichts, wenn ich mich der Clique anschließe. Er stellt nur eine Bedingung: keine Saufgelage. Jeder kann mal ein Gläschen trinken, vielleicht auch zwei; aber wir wollen keine verrückten Heimfahrten um Mitternacht auf diesen miserablen Straßen. Wenn einem von euch das nicht paßt, soll er lieber gleich wegbleiben.«
Graham maulte ein wenig, und David lächelte spöttisch und nannte die Gesellschaft >Mamas Lieblinge<, aber im Grund hielten sie sich an die Regeln.
Sie gründeten eine Art Juniorenklub und kamen rundum in den verschiedenen Häusern zusammen, um zu plaudern, zu tanzen und gräßliche Platten anzuhören (keine von Davids Haydn-Symphonien). Auf einmal kam ihnen der Gedanke, sie wollten gemeinsam ein Theaterstück aufführen.
»Wozu?« fragte ich neugierig. Tony erwiderte ernst, es sei natürlich zum Besten des Roten Kreuzes, und wir müßten alle etwas dazutun. Gleich zu Anfang stellte ich eines klar: Einmal im Monat könnten sie unser großes Wohnzimmer für die Proben haben. Ich würde ihnen dann ein Abendessen stiften, aber mehr könnte ich nicht geben. Auch Larry stellte, meinem Beispiel folgend, einmal monatlich einen Raum zur Verfügung, ebenso Anne. Der Colonel war begeistert, als er von dem Plan hörte. »Das sind mal endlich nette, altmodische junge
Weitere Kostenlose Bücher