Fremde Gäste
bemerkte Paul, als Sam ihm das erzählte. »David hat keinerlei Interesse an Autos, und Tom hat nicht einmal einen Führerschein. Ich bin gespannt, was sonst noch Geheimnisvolles an ihnen ist.«
Das war nur so hingesagt, denn Paul haßt allen Klatsch. Larry und mir kam auch selten etwas zu Ohren, obwohl die Mädchen im Supermarkt erfuhren, was so los war. Aber Miß Adams sorgte energisch dafür, daß alle Verbreitung von Klatsch unterblieb, und achtete scharf darauf, daß auch das Postgeheimnis gewahrt wurde. Ihr Einfluß auf ihre Angestellten und sogar auf die gesamte Umgebung war so stark, daß die meisten von uns Alteingesessenen wenig Klatsch zu hören bekamen. Darüber waren wir alle froh.
So wirkte es wie ein Schock auf mich, als Larry mich eines Tages anrief. »Ich muß dich unbedingt sprechen, Susan! Es geht ein widerliches Gerede um, und ich möchte lieber, daß du es von mir hörst. Ich komme heute nachmittag zu dir!«
Sie war schöner denn je, als sie kam, trotz ihrer abgetragenen Schuhe und ihrer verschlissenen Jacke. Ihre Augen blitzten vor Zorn, um ihren Mund lag ein entschlossener Zug.
»Ein Glück, daß die Kinder noch nicht aus der Schule da sind!« brach sie los. »Susan, ich brauche dir wohl nicht erst zu sagen, daß ich dir vertraue und daß du nichts weitererzählen sollst. Es wissen zwar jetzt fast alle, aber wenigstens nicht von uns.«
»Was ist denn los? Komm, nun beruhige dich erst mal! Trink eine Tasse Kaffee! Es kann doch nichts Schlimmes sein, oder haben die Kinder etwas angestellt, so daß sie vors Jugendgericht müssen?«
Zu meiner Überraschung rief Larry: »Sag bitte nicht so was! Ausgerechnet Jugendgericht! Es gibt böse Dinge, die das Leben eines Kindes vergiften können und es zum Verbrecher machen.«
»Wovon redest du eigentlich? Weder du noch ich wissen etwas von Jugendgerichten, außer dem, was in der Zeitung steht.«
»Kümmere dich nicht um mich, ich bin einfach wütend. Wenn sich die Leute doch nur um ihre eigenen Angelegenheiten sorgen würden, aber das tun sie nicht. Und nun reden alle davon, daß der arme Tom früher mal in einer Besserungsanstalt war.«
»In einer Besserungsanstalt? Tom? Das kann ich nicht glauben. Ist das nicht nur Gerede?«
»Nein, nein, es ist leider nur zu wahr. Ich weiß es schon längst. Er hat es Sam bald nach seiner Ankunft erzählt. Er sagte, er könnte es Sam nicht verdenken, wenn er einen Anstaltszögling nicht auf seiner Farm haben wollte. Und er bat Sam, er solle es mir erzählen.«
»Na, das ist vielleicht ein Ding!«
»Natürlich hielt Sam sein Wort und erzählte es niemandem sonst. Er fand, was vergangen, ist vorbei, und Tom gefällt ihm. Und mir auch.«
»Was war denn geschehen? Was hat er getan?«
»Nichts Besonderes. Nur was die Jungen heutzutage öfter machen. Er hat ein fremdes Auto genommen und eine Fahrt damit gemacht. Dann hat er’s noch mal getan und die Geschwindigkeit überschritten, wofür er eine Verwarnung bekam. Dann passierte es noch mehrere Male, und es hieß, er sei renitent, und er wurde in eine Besserungsanstalt geschickt. Nach geraumer Zeit erhielt er einen Vertrauensposten und freundete sich mit einem netten Pater an. Ich glaube, sie alle erkannten, daß bei ihm noch etwas zu hoffen war, weil er im Grunde ein anständiger Mensch ist. Sie hatten ein Auge auf ihn. Und ehe ihm der Aufenthalt in der Anstalt schaden konnte, verkürzten sie seine Zeit und ließen ihn zur Bewährung für ein Jahr frei. Sie suchten für ihn einen Arbeitsplatz bis zum Ende der Bewährungszeit. Damals erschien Rufus aus dem Nichts und hängte sich an Tom. Dann kam der Ärger mit dem Vermieter, von dem ich dir erzählt habe, und Tom saß auf der Straße, in der schwachen Hoffnung, jemanden zu finden, der ihn samt dem Hund anstellen würde.«
»Und den hat er gefunden, und seitdem lebt er hoffentlich glücklich und zufrieden.«
»Das hofften wir auch, aber leider ist es nun doch durchgesickert. So geht’s schließlich immer mit dem Klatsch.«
»Aber wie war das möglich? Wir wohnen doch ziemlich abgelegen.«
»Kein Ort ist so abgelegen, daß man für alle Zeit ein Geheimnis wahren könnte. Es war eben ganz großes Pech. Tom war im Laden, ebenso Mrs. Knight und ihre Freundin Mrs. Elder. Die beiden standen hinter einem Regal mit Konservendosen. Tantchen war hinausgegangen, um etwas zu holen; es sah daher so aus, als ob Tom allein im Laden sei. Da hielt draußen ein Wagen. Eine Frau kam herein; sie begrüßte Tom sehr freundlich
Weitere Kostenlose Bücher