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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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dankbar. Das hätte ich gern miterlebt.
    Tony berichtete weiter, daß er es ablehnte, sich von seiner Mutter nach Hause fahren zu lassen; immer wieder habe er betont, daß er genauso gut zu Fuß gehen könne. Tony war richtig aufgebracht. »Das ist vielleicht eine Type! Er will auf jeden Fall unabhängig sein und seinen eigenen Weg gehen. Diese Sorte kann ich nicht ausstehen. Der Endeffekt war, daß der junge Herr fürs erste hierbleiben wird. Wenn die Arbeit beim Colonel geschafft ist, will er zu Peter übersiedeln und ihm helfen. Die Arbeit mit den Pferden wird ihm viel Spaß machen. Er wurde allerdings gleich sauer, als ich das zu sagen wagte. Auf keinen Fall will er jetzt in die Stadt zurück. Er will sich aber überlegen, ob er seinen Eltern gnädigst gestattet, seine Ausbildung als Arzt zu bezahlen. Als wir später das Geschirr abspülten, während die anderen sich unterhielten, sagte er zu mir: >Sie haben schon recht, meine Mutter ist reizend, das war schon immer so. Mein Vater ist auch sehr nett und dazu ein tüchtiger Arzt, ein vorzüglicher Spezialist, nicht so ein Quacksalber wie sein Vorgänger. Trotzdem kann ich nicht verstehen, daß sich die beiden selber so prächtig finden und haben möchten, daß ich so werde wie sie.< Er meinte, es sei so ein Komplex — Narziß oder Narzisse oder so was Verrücktes«, schloß Tony. Mit der Gelehrsamkeit hatte sie’s nicht.
    Aber im großen und ganzen schien David doch nett zu seiner Mutter gewesen zu sein. Ich finde, heutzutage muß man dafür schon dankbar sein. »Sie war aber auch riesig verständnisvoll«, fand Tony. »Ich glaube, sie hätte viel darum gegeben, daß David zum Medizinstudium zurückkehrte. Aber sie trug es heldenhaft und sogar ohne ein entsagungsvolles Lächeln. Sie ist mächtig nett, und David weiß sein Glück nicht zu schätzen. Übrigens kam heute ein Brief von meiner Mutter. Sie haben sich endgültig entschlossen, zur Hochzeit zu kommen. Daddy meinte, keine zehn Pferde könnten ihn zurückhalten, vielleicht aber eine wildgewordene Ex-Gemahlin. Wir können uns also auf allerhand Spaß gefaßt machen.«
    Ich konnte darüber nicht lächeln. Alistairs Haltung Claudia gegenüber mißfällt mir sehr, ebenso die Art, wie er Tony zu ihrem Benehmen im Umgang mit ihrer Mutter ermuntert. Aber wegen der Hochzeit war diese Nachricht ein Schlag; ich hatte gehofft, sie würden die weite Reise scheuen. Tonys Vorstellung von Spaß war eben ganz anders als meine.
     

6
     
    Tony, die sich nun endlich über ihre Gefühle klargeworden und von Plänen für die Hochzeit und ihr künftiges Leben mit Peter erfüllt war, interessierte sich auch mehr denn je für Mirandas Verehrer. Es gab deren viele; zum einen, weil Mädchen in dieser Gegend rar waren, zum anderen wegen Mirandas anerkannter Schönheit und Anmut. Sie war das genaue Gegenteil von Tony, und die beiden Mädchen ergänzten einander vortrefflich. Wenn Tony von Leben und Übermut sprühte, war Miranda still und besinnlich. Tony plauderte drauflos, Miranda hörte zu. »Bei den Männern ist das ein großer Vorzug«, bemerkte meine Nichte scharfsinnig. »Miranda redet nicht von sich und ihren Gefühlen. Sie hört nur zu und sieht dabei goldig aus. Da kann kein Mann widerstehen, besonders nicht so ein einsamer Junggeselle, der hart arbeitet und niemand zur Ansprache hat.«
    Joe Merton war so ein »einsamer Junggeselle«; mir persönlich gefiel er von allen Verehrern Mirandas am besten. Er war ein ziemlich stiller junger Mann, aber der Tropfen Maoriblut in seinen Adern verlieh ihm Charme und Humor. Er war nicht reich, denn er hatte fünfzehn Kilometer von Tiri entfernt eine kleine Farm gekauft. Es war hügeliges Gelände und vorher wenig gepflegt gewesen. Aber es lag herrlich in der Sonne und war all der Mühe und Arbeit, die Joe daran verwendete, wohl wert. Eines Tages würde es eine Musterfarm sein; dann würde das kleine Haus mit seinen vier einfachen, sauberen Zimmern, wo Joe jetzt hauste, durch einen modernen Bungalow ersetzt werden. Einstweilen kaufte Joe, was er brauchte, in dem Supermarkt von Tiri; seine Bewunderung für Miranda suchte er nicht zu verbergen.
    Sein schärfster Rivale war sozusagen ein »Neuer« namens Graham Ford. Er betreute eine große Schaffarm in Abwesenheit des Besitzers. Es hieß, er sei äußerst geschickt und zuverlässig. Er war sehr nett, wenn auch für meinen Geschmack ein wenig zu selbstbewußt, und in unserer Gegend sehr beliebt. »Wenn er in den Laden kommt, vergißt man

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