Fremde Schiffe
gewesen sein und in uralter Zeit sogar der Grund des Meeres. Auch die Umrisse des Landes veränderten sich im Laufe vieler Jahrtausende. Während eines langen Ritts durch das Gebirge hatte sein Vater einst Halt gemacht und war aus dem Sattel gestiegen. Er kletterte einen steilen Abhang hinauf und legte mit dem Messer eine dünne Schicht weißlicher Erde frei, die unter der oberen dunklen Erdschicht verlief. Dann hatte er seinen verblüfften Söhnen eine Hand voller Mollussenmuscheln entgegengehalten und erklärt, dass sich diese Bergspitze einst auf dem Grund eines warmen flachen Sees befunden hatte. Seinen Gefolgsleuten bestätigte dieser Zwischenfall, dass König Hael verrückt war. Seine Söhne hatten im Laufe der Zeit gelernt, dass seine ungewöhnlichen Ansichten sich als wahr erwiesen, obwohl auch sie wussten, dass er verrückt war.
Aus unbekannten Gründen erhoben sich gewaltige Zivilisationen, gelangten zu Wohlstand, verfielen und verschwanden wieder. Die Gelehrten am Hofe König Haels gaben verschiedene Gründe dafür an. Ansa wusste aus Erfahrung, dass mächtige Königreiche durch einen Krieg ausgelöscht worden waren. Manche Gelehrte behaupteten, dass die Welt von Zeit zu Zeit von schrecklichen Seuchen heimgesucht wurde. Andere wiederum meinten, die Ausbeutung des fruchtbaren Ackerlands wäre der eigentliche Grund für das Aussterben großer Zivilisationen.
Letzteres war für Ansa schwer zu verstehen. Da er im Herzen ein Nomade war, verachtete er einfache Bauern. Selbst sein Vater, der außergewöhnlich nachsichtig war, hatte Schwierigkeiten, seine Verachtung für Menschen zu verbergen, die ihre Tage damit verbrachten, kraftlose, schlecht schmeckende Feldfrüchte für die Städte anzubauen. War ein solches Leben besser als das Leben eines Sklaven? Dennoch bestanden die Gelehrten darauf, dass die Landwirtschaft von großer Wichtigkeit war. Ohne Ackerbau und Viehzucht überlebte kein großes Volk. Ansa sah das nicht ein. Er zog wilde Tiere in jeglicher Form vor und betrachtete große Viehherden als völlig ausreichend für die Ernährung.
Ansa entschied, dass die Lichtung ein guter Platz zum Lagern war. Er hatte keine Lust, in den nächsten ein oder zwei Tagen in die Stadt zurückzukehren, und unter hohen Bäumen zu schlafen bereitete ihm Unbehagen. Alles mögliche widerliche Getier konnte aus den Ästen auf einen Schlafenden niederfallen, während aus dem freien Himmel selten etwas Schlimmeres als Regen fiel.
Seine Habe hatte er in schweres Öltuch gewickelt. Jetzt öffnete er sein Bündel. An einer Seite waren zwei Laschen an die Ecken des Öltuchs genäht. Diese Seite befestigte er am Boden. Die andere Seite legte er auf den hohen Felsblock und beschwerte sie mit Steinen. Mit dem groben Schutzdach zufrieden, nahm er Pfeile und Bogen und ging auf die Jagd.
In den Ästen wimmelte es von Baummännchen, aber der Gedanke, sie zu verzehren, behagte ihm nicht, da sie den Menschen ähnlich sahen. Während seiner Reise durch den Süden war ihm aufgefallen, dass viele Menschen sich nichts dabei dachten, die kleinen Tiere zu verspeisen, aber die meisten dieser Leute waren auch Menschenfresser gewesen. Da es hier genügend Wild gab, musste er sich jedoch nicht an den winzigen Wesen vergreifen. Am Spätnachmittag erblickte er eine kleine Herde Toonoos. Die fetten kurzbeinigen Biester ähnelten jenen, die er aus seiner Heimat kannte, nur hatten sie gefleckte braungrüne Felle, eine gute Tarnung auf dem Waldboden. Er erlegte eines der Tiere mit einem Pfeil und nahm es mit zu seiner Lagerstatt, um ihm das Fell abzuziehen. Zuerst entzündete er ein Feuer. Als er das Tier gehäutet und zerlegt hatte, glühten die Kohlen bereits.
Ansa saß im Dämmerlicht und sog den Duft seiner Mahlzeit ein. Sekundenlang überlegte er hier zu bleiben, schob den Gedanken aber schnell als närrisch beiseite. Die Idee war ihm nur gekommen, weil das Land gleichzeitig wild und friedlich war und im großen Gegensatz zu seinem gegenwärtigen Leben und seiner gewohnten Umgebung stand. Er würde nicht lange bleiben können, ehe sich auch die unumgänglich üble Seite der Idylle zeigte. Außerdem trug er eine Verantwortung. Er musste sich mit Königin Shazad treffen und auch herausfinden, ob sich sein Vater erholte. Und er wollte Fyana wieder sehen.
Seit ihrer letzten Begegnung war viel geschehen. Er war nur ein junger unerfahrener Krieger gewesen, als er sie zum ersten Mal sah. Seit damals hatte er sich durch die halbe Welt gekämpft und
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