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Fremde Schiffe

Fremde Schiffe

Titel: Fremde Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Heute Morgen sind bereits mehr als hundert Menschen erkrankt.«
    »Wie schrecklich! Nun gut, ich bleibe hier, möchte aber so bald wie möglich mit der Königin sprechen.«
    Der Diener verneigte sich. »Ich werde es ihr ausrichten, Herr. Dein Frühstück steht auf der Terrasse bereit.«
    Ansa machte sich auf den Weg zur Terrasse. In den Fluren vernahm er Schluchzen und verängstigtes Flüstern. Schließlich entdeckte er einen reich gedeckten Tisch, den ein Strauß frischer Blumen zierte, als wäre alles in bester Ordnung. Er setzte sich und aß mit wenig Appetit, während die beunruhigenden Laute aus der Stadt an seine Ohren drangen. Irgendwo dicht außerhalb der Stadtmauern stieg eine gewaltige Rauchwolke zum Himmel empor. Eine Massenverbrennung, dachte Ansa, bei der man die Opfer der Seuche auf den Scheiterhaufen legte.
    Er hatte größere Angst als je zuvor in seinem Leben. Schon zweimal hatte er eine Seuche erlebt, bei der die Menschen zu Tausenden starben und niemand etwas tun konnte, außer abzuwarten. Die Kräuterfrauen und Geistersprecher waren hilflos gewesen und auch sein Vater hatte nur die Achseln gezuckt und gesagt, dass weder Menschen noch Geister jede Laune der Natur zu lenken vermochten. Man konnte nur hoffen, der Krankheit nicht zum Opfer zu fallen.
    Aber das hier! Früher hatte er immer im Voraus erfahren, dass eine Seuche im Anmarsch war, denn Gerüchte eilten selbst den Krankheiten voraus, die sich rasend schnell ausbreiteten. Die Menschen ängstigten sich in der Gewissheit, dass eine Seuche in Kürze über sie herfiel. Diesmal nicht. Während der langen Seereise nach Neva hatte Ansa nichts Derartiges gehört, nicht einmal in dem Hafen, in dem sie zwei Tage früher angelegt hatten. Wie konnten sich innerhalb weniger Tage so viele Leute anstecken und sterben? Die schlimmsten Krankheiten, von denen er je gehört hatte, brachten die Menschen im Laufe einer oder zwei Wochen um.
    Grimmig dachte er über seine Lage nach. Sollte er eines der Cabos holen, die ihm Shazad angeboten hatte, und davonreiten? Die Aussicht war verlockend. Vielleicht entkam er der Ansteckung. Aber wohin sollte er sich wenden? Er konnte die Straße nach Nordosten nehmen, die durch Omia und das Gebirge bis in die Steppe führte.
    Er nippte an einem Becher Fruchtsaft. Wenn er die Flucht ergriff, steckte er unter Umständen sein Volk an. Nein, das war unmöglich, dachte er. Wenn er die Krankheit in sich trug, war er bis dahin längst tot oder wieder gesund. Ganz bestimmt steckte er dann niemanden mehr an. Oder etwa nicht?
    Eines war sicher: Seine Mission war gescheitert. Die Königin hatte beschlossen, die Insulaner zu vernichten, und zeigte kein Interesse an Mezpa. Ihr Wunsch, sich von Gasam und Larissa zu befreien, war gegen alle Vernunft zu einer Besessenheit geworden.
    Er kannte die Geschichte, sein Vater hatte sie ihm oft genug erzählt. Shazads Vater hatte während einer Hafenschlacht katastrophale Verluste erlitten und die Hälfte seiner Flotte verloren. Die Feinde nahmen Shazad gefangen und Larissa hielt sie monatelang als Sklavin, ehe König Hael und die Steppenarmee die Stadt und die Prinzessin befreiten.
    Ansa hatte persönlich miterlebt, wie Gasam und Larissa Gefangene und Sklaven behandelten, die ihr unheilvolles Interesse erregten. Er stellte sich vor, wie diese Demütigung all die Jahre an Shazad genagt hatte. Nach außen hin behauptete sie, dass sie den bevorstehenden Kriegszug unternahm, um ihr Reich zu schützen. In Wahrheit wollte sie Rache. Sie würde sich gegen keinen neuen Feind wenden, ehe die alten Gegner nicht vernichtet waren.
    Aber was wurde jetzt aus ihren Plänen? Die Seuche verhinderte alle Unternehmungen. Er musste eindringlich darüber nachdenken. Vielleicht sah sie ein, dass ein kleiner, aber wichtiger Feldzug zu Lande vernünftiger war, wenn eine große Flottenkampagne nicht möglich war.
    Plötzlich begriff er, wie vergeblich solche Gedanken waren. Bei einer Seuche war nichts unmöglich. Vielleicht waren Shazad und er selbst in wenigen Tagen tot. Ansa wusste, dass Menschen in solchen Situationen leicht hysterisch oder unvernünftig wurden. Sie liefen Verrückten nach, die Hilfe durch die Götter versprachen. Sie rebellierten und stürzten ihre Könige, als könne eine politische Veränderung die Seuche aufhalten. Vielleicht saß er hier gemütlich hinter Palastmauern und befand sich in einer tödlichen Falle.
    Nachdem er das Frühstück beendet hatte, kehrte er in seine Gemächer zurück und packte

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