Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Schiffe

Fremde Schiffe

Titel: Fremde Schiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
wäre ein wirklich unwahrscheinliches Zusammentreffen vieler Zufälle. Außerdem tauchte die Seuche zuerst an zwei Stellen auf – im Hafen und im Palast. Das sind die Orte, an denen die Fremden anfangs erschienen. Es gibt viele Bezirke im Stadtinneren, in denen die Krankheit noch nicht grassiert.«
    »Besteht die Möglichkeit, sie einzudämmen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Sie weilen seit Tagen in der Stadt und alle Leute bewegten sich frei und ungehindert. Es dauert nur geraume Zeit, bis die Seuche überall ausbricht.«
    Ein Kurier betrat die Terrasse und kniete vor der Herrscherin nieder. Er hielt ihr eine bronzene Röhre entgegen. Sie nahm sie, öffnete den Verschluss und zog ein zusammengerolltes Pergament heraus. Mit einem Seufzer ließ sie es auf den polierten Marmorboden fallen. »Meine Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Die Krankheit ist in drei Dörfern ausgebrochen, die in zehn Meilen Entfernung liegen. An dem Tag, als die Fremden eintrafen, muss jemand von Kasin dorthin gereist sein. Vielleicht ist nun mein ganzes Reich verloren.«
    »Nicht nur dein Reich«, bemerkte Ansa. »Noch nie hat eine Seuche die von Menschen gezogenen Grenzen respektiert.«
    Sie lachte freudlos. »Da sie sich von hier aus verbreitet, wird man sie die ›mevanische Krankheit‹ oder ›Shazads Fluch‹ nennen und mir die Schuld geben.«
    »Wo halten sich die Fremden auf?«, fragte Ansa.
    »Ein paar sind noch auf den Schiffen, aber die meisten befinden sich in Häusern, die ich ihnen zur Verfügung stellte. Sie sind gesund, doch das kann sich ändern, wenn sie so anfällig für unsere Krankheiten sind wie wir für die ihren.«
    »Vielleicht leben sie nicht lange genug, um sich an einer Krankheit anzustecken«, meinte Ansa. »Wenn das Volk ihnen die Schuld an der Seuche gibt, ergeht es ihnen schlecht. Du solltest Wachen vor den Häusern postieren.«
    Sie dachte eine Weile nach. »Ich bin versucht, sie nicht zu schützen. Wenn das Volk sie als Schuldige ansieht, stehe ich nicht so sehr unter Druck. Schließlich haben sie Schuld an allem, auch wenn es unbeabsichtigt geschah.« Er wollte widersprechen. »Du kannst doch nicht …« »Ach, ich lasse sie beschützen«, unterbrach sie ihn. »Es wäre ein Bruch der uralten Gesetze der Gastfreundschaft, wenn ich sie im Stich ließe. Aber die Versuchung ist groß.«
    Tagelang wütete die Seuche in der Hauptstadt. Am dritten Tag reichten die Prozessionen nicht mehr aus, um die Toten fortzuschaffen, und man lud die Leichen auf Karren. Wie Shazad vorhergesagt hatte, griff das Volk die fremden Schiffe und die ausländischen Seeleute an. Die Soldaten wehrten die Übergriffe mit Leichtigkeit ab. Noch war das Volk zu verängstigt und geschwächt, um gegen die Königin zu rebellieren.

 
KAPITEL SECHS
     
    D er Sklave bot einen entsetzlichen Anblick. Seine Glieder waren verdreht und die Haut mit dichtem Ausschlag bedeckt. Der Atem kam stoßweise zwischen Kiefern hervor, die tags zuvor noch Zähne besessen hatten. Vor drei Tagen war er ein kräftiger junger Mann gewesen. Jetzt sah er wie der Kadaver eines Tiers aus.
    »Wie viele sind in diesem Zustand?«, fragte Larissa.
    »Ungefähr ein Drittel«, erklärte der Krieger. »Auf der ganzen Insel sterben sie so wie er und die Seuche hat auch die anderen Inseln befallen.«
    Sie ging nicht zu nahe an den Sterbenden heran. Sie hatte keine allzu große Angst vor Ansteckung, aber ihr Leben lang hatte sie alles Hässliche verabscheut und diese Kreatur war das Hässlichste, was sie je gesehen hatte.
    »Tötet ihn. Tötet alle, die an dieser Krankheit leiden. Vielleicht nützt es nichts, aber wenn man sie nicht heilen kann, müssen sie sich nicht tagelang quälen.«
    »Zu Befehl, Majestät«, antwortete der Krieger und verneigte sich.
    Larissa wandte sich ab und verließ das kleine, aus Sklavenhütten bestehende Dorf. Gefolgt von ihrer Leibwache machte sie sich auf den Weg zum Palast, als einer der Jungen plötzlich stehen blieb.
    »General Pendu kehrt zurück!«, rief der junge Bursche und deutete auf die rote Flagge, die auf dem Ausguck gehisst wurde.
    »Dann wollen wir ihn willkommen heißen«, sagte die Königin. Das würde ihre Stimmung bessern. Nicht, dass ihr das Leben ihrer Sklaven etwas bedeutete, aber der Anblick war widerlich. Doch warum starben die Kreaturen?
    Als sie den Strand erreichten, paddelten die großen Kriegskanus mit hoher Geschwindigkeit heran. Die Fremden, die an der Reling ihrer Schiffe standen, sahen voller Bewunderung zu.

Weitere Kostenlose Bücher