Fremde Schiffe
wie ein Langhals auf ein verwundetes Kagga auf den Kauffahrer zu, der ebenso gut hätte vor Anker liegen können. Nach wenigen Augenblicken lagen sie längsseits. Auch ohne Fernglas sah Ansa, dass der Kaufmann keinen vergeblichen Widerstand leistete, doch das rettete die Mannschaft nicht. Krieger stürmten mit funkelnden Waffen an Bord. Wenig später flogen Leichen ins Wasser, und plötzlich wimmelte es nur so von Flossen und schlagenden Schwänzen, während sich die schaumigen Wellen rosig färbten.
Ansa riss sein Cabo herum. »Wir reiten zurück. Ich muss mit der Königin sprechen.«
»Der Spaß ist vorbei«, setzte Uluk hinzu. Grölend ritten sie zurück.
Während des Ritts dachte Ansa angespannt nach. Larissa, Gasam, das Schiff … Er musste sich sein Wissen irgendwie zunutze machen. Vor einigen Tagen hatte er einen Boten ausgeschickt, der die Nachrichten überbrachte, die sie bei dem Verhör erfahren hatten. Seit damals hatten sie die vorrückende Armee beschattet und zwei weitere Berichte abgeliefert. Jetzt mussten sie umkehren. Die Armee rückte in einem gut vorhersehbaren Tempo immer weiter vor. Sie vernichtete alles, was sich ihr in den Weg stellte. Gasams Seereise war die einzig wirklich interessante Neuigkeit, die er seit dem Verhör der Insulaner herausgefunden hatte.
Sie mieden die Hauptstraßen, die mit Flüchtlingen verstopft waren, die zu Fuß oder mit Karren und Kutschen flohen. Menschen und Tiere waren schwer beladen. Die Nachricht von der Invasion hatte sich schnell herumgesprochen und so kurz nach der Seuche eine größere Panik ausgelöst, als es vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt der Fall gewesen wäre.
Wie immer beim Anblick des Unglücks anderer brach Uluk auch diesmal in schallendes Gelächter aus. »Was glauben sie, wohin sie fliehen?«, fragte er Ansa. »Denken sie etwa, sie können den Barbaren entfliehen, wenn sie so bepackt sind? Wo wollen sie Sicherheit finden? Ist der Hungertod in einer belagerten Stadt besser als ein schneller Tod durch den Speer?«
»Derartiges habe ich schon oft erlebt«, bestätigte Ansa. »Wenn sich ein Feind nähert, fühlen Städter, Dörfler und Bauern den Drang, die Straßen zu verstopfen. Die Klugen verstecken sich in den Hügeln und im dichten Unterholz. Die anderen machen es wie diese Leute hier.«
»So kann man sie leichter umzingeln und abschlachten«, bemerkte Uluk. »Ich habe nie viel davon gehalten, solche Leute länger als nötig am Leben zu lassen.
Meinen Segen haben sie, wenn sie es nicht anders wollen.«
Mehrmals musste Ansa seine Männer davon abhalten, den Flüchtlingen Wertgegenstände zu rauben. Sie verstanden seine Einwände nicht, bis er ihnen sagte, Königin Shazad wäre über ein solches Vorgehen sehr ungehalten.
Nach drei Tagen stießen sie im kleinen Hafen Kantun auf die Flotte. Nur die größeren Schiffe lagen im Hafenbecken, der Rest hielt sich dicht hinter dem Wellenbrecher auf. Erleichtert begrüßten sie den Anblick der Nevaner, bis Ansa zu seiner Überraschung auch fremde Schiffe erkannte.
»Was ist denn das?«, fragte er und zeigte auf drei Barkassen, die innerhalb des Hafenbeckens lagen.
»Schiffe!«, antwortete Uluk und sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
»Sie haben drei Masten, genau wie das Schiff, das die Seuche verursachte.«
»Tatsächlich?« Uluk zuckte die Achseln. »Ich verstehe nichts von Schiffen.«
Die Wachen am Stadttor ließen sie ungehindert passieren, nachdem Ansa das königliche Siegel vorzeigte. Ein Quartiermeister führte sie zu den Stallungen, wo sie die Cabos versorgten. Ansa ließ Uluk und seine Männer zurück, während er zum Hafen ging. Das Siegel diente als Ausweis und als Schlüssel und verschaffte ihm überall dort Einlass, wohin er gehen wollte, oder den Zugang zu Vorräten und Transportmitteln. Im Augenblick musste er nur an Bord des königlichen Flaggschiffs gelangen.
Die Seekönigin lag im Hafen. Die Sonne ging unter und entlang der Reling leuchteten Laternen. Helles Licht strömte durch die Glasfenster des Achterdecks. Ein Boot der Kriegsmarine mit einer gelben Laterne am Bug und einer blauen im Heck ruderte Ansa zum Flaggschiff hinüber. Stille herrschte im Hafen; eine Stille, die wegen des Dutzends Schiffe und der vielen tausend Soldaten mehr als unheimlich war. Die strenge Disziplin der Kriegsmarine gestattete den Matrosen nicht, sich lauter als im Flüsterton zu unterhalten. Männer im Ausguck durften rufen und Befehle wurden mittels gedämpfter Glocken und
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