Fremde Schiffe
voraus. Das geschah häufig, denn es war nicht einfach, ein schnelles Schiff dem Tempo der Fußsoldaten anzupassen, auch wenn sie so flink wie Gasams Leute waren. Es war leichter, vorauszusegeln und in einer geeigneten Bucht auf sie zu warten. Beim Auftauchen feindlicher Schiffe blieb ihnen genügend Zeit, umzukehren und zu entkommen. Die Seeschlange war schneller als jedes andere nevanische Schiff und inmitten der Insulaner hatten sie nichts zu befürchten.
»Reiter in Sicht!«, brüllte der Mann im Ausguck.
»Wo?«, rief Gasam.
»Dort drüben, jenseits des Hafens!«
Gasam und Larissa hockten gelangweilt auf ihren Thronsesseln und sehnten sich nach Ablenkung. Der König ergriff sein Fernrohr und sah hindurch.
»Was siehst du?«, fragte Larissa.
»Drei Reiter. Nein, acht, zehn oder noch mehr.«
»Die Vorhut der Nevaner!«, rief Larissa. »Soll ich Ilas befehlen, die Segel einzuholen? Wir sind der Armee voraus.«
»Sieh selbst«, sagte er und reichte ihr das Fernrohr. »Das ist keine Vorhut. Sie tragen keinerlei Rüstung und du weißt, wie sehr die Nevaner Rüstungen lieben. Das sind wahrscheinlich Späher auf Kundschaft. Sie könnten viele Tage Vorsprung haben.«
»Trotzdem müssen wir vorsichtig sein«, gab sie zu Bedenken. Gasams größter Fehler bestand in Larissas Augen darin, drohende Gefahren nicht ernst zu nehmen. Sie beobachtete die Reiter genau. Drei von ihnen ritten den anderen voraus. Sie hielt inne und musterte den Reiter in der Mitte lange Zeit.
»Vor ein paar Tagen wurden Späher gesichtet«, sagte Gasam. »Sie nahmen vier Krieger gefangen, warum auch immer! Wenn die Armee in der Nähe ist, werden wir … Was ist los?«
»Die Reiter … einer von ihnen …«
»Lass mich sehen!« Er nahm ihr das Fernrohr ab.
»Es ist der mittlere, der zu den drei ersten Männern gehört. Er gefällt mir nicht.«
»Er ist anders gekleidet als seine Kameraden«, sagte Gasam gelangweilt. »Mehr lässt sich aus dieser Entfernung nicht erkennen. Das hat nichts zu bedeuten.«
»Ich weiß nicht. Er kommt mir bekannt vor. Ich hoffe, du hast Recht. Es ist wahrscheinlich unwichtig.«
»Jetzt sehe ich etwas höchst Bemerkenswertes.« Gasam richtete das Fernrohr auf die Spitze einer Landzunge. Ein Schiff kam zum Vorschein, ein Handelsschiff. Bestimmt hatte der Kapitän keine Ahnung, was ihn erwartete. Sobald es in Sicht kam, verringerte es seine Geschwindigkeit. Allerdings vermochte es sein Tempo nicht abrupt zu drosseln. Es trieb auf sie zu, obwohl sich die Besatzung alle Mühe gab, den Kurs zu ändern.
»Beute!«, brüllte Gasam. »Kapitän, die Ruder heraus und ihm nach!« Er grinste Larissa an. »Wenn es heute schon keinen Krieg gibt, werden wir ein wenig Spaß haben.«
Sie erwiderte sein Lächeln und vergaß die Reiter.
Ansa verstaute das Fernrohr wieder in der Satteltasche. Seit Tagen ritten sie den Insulanern voraus und hofften, einen Blick auf die Anführer zu erhaschen. Erst gestern war ihm der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht auf einem Schiff reisten. Das hatte sich bewahrheitet. Ließ sich aus diesem Wissen ein Vorteil ziehen? Bestimmt, aber allein der Anblick der beiden verursachte ihm Kopfschmerzen. Sie hatten ihm einst die schlimmsten Stunden seines Lebens beschert.
»Sieh dir den Dummkopf an«, sagte Uluk und zeigte zum Meer. Da Ansa sich auf das aus Norden kommende Schiff konzentriert hatte, hatte er den Frachter nicht bemerkt, der die Landzunge umrundete. Sie sahen, wie die Besatzung in Panik ausbrach, das dreieckige blaue Segel einholte und der Steuermann mit aller Kraft am Ruder drehte.
»Ich glaube, es ist kein Nevaner«, sagte Ansa. »Wahrscheinlich ein Ausländer, der mit den südlichen Inseln Handel treibt. Er ist von Norden gekommen und hat das Festland umgangen, um Konkurrenz auszuweichen. Vielleicht hörte er auch von der Seuche und wollte ihr entgehen. Jedenfalls hat er nichts von der Invasion gewusst.«
»Jetzt weiß er es«, antwortete Uluk und schlug sich lachend auf die Schenkel, als sich die Piraten auf den hilflosen Gegner stürzten. Jede Gefahr, die ihn nicht betraf, amüsierte ihn und seine Kumpane.
»Haben die Piraten uns gesehen, Hauptmann?«, erkundigte sich ein jüngerer Mann.
»Ja, denn sie musterten uns ebenfalls durch ein Fernrohr. Unsere Anwesenheit scheint ihnen gleichgültig zu sein. Auf jeden Fall hat sie ihnen nicht die Lust am Überfall verdorben.«
Die Schiffe glitten schnell aufeinander zu. Das von zahllosen Rudern beschleunigte Kriegsschiff stürmte
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