Fremde Schiffe
freundlich und töten sie anschließend«, antwortete Gasam vergnügt. »Vielleicht ist es das letzte Schiff ihrer Flotte. Wir haben alles erfahren, was wir wissen wollten. Königin Isels Flotte bleibt verschollen, womit sie wahrscheinlich gerechnet hat. Wenn wir hier fertig sind, bauen wir eine eigene Flotte und statten ihr einen Besuch ab. Dann wird sie alles über uns erfahren.«
»Wie du meinst, Gebieter«, sagte Larissa, die sich unbehaglich fühlte. Sie wusste nicht, woran es lag. Die Rolle des Raubtiers spielte sie bereits, solange sie denken konnte. Alle anderen Menschen waren nur Sklaven und starben, wenn sie ihr missfielen. Dennoch behagte ihr die ganze Sache nicht.
Mit gesenkten Segeln ruderten sie zu dem anderen Schiff, bis sie die Männer an Deck erspähten, die wie die Ausländer gekleidet waren. Schnell glitten sie noch näher heran.
»Jeder verhält sich absolut still«, befahl Harakh mit leiser Stimme. Er trug einen Schlapphut, um sein Gesicht zu verbergen. Das Abenteuer gefiel ihm ausnehmend gut, denn es erinnerte ihn an die Zeit seiner Jugend. »Bleibt unterhalb der Reling, ihr seht sie früh genug.«
Ansa lag flach auf dem Boden und presste die Wange an das warme, nach Pech riechende Holz. Neben ihm lag sein Bogen mit bereits eingelegtem Pfeil und sein Schwert steckte locker in der Scheide. Das ganze Deck hinter ihm war mit reglosen Soldaten und Matrosen gepflastert. Weitere Männer lauerten im Frachtraum. Die Matrosen in der Takelage trugen die Kleidung der Ausländer. Die kurze Seereise war rau und gefährlich verlaufen, denn die Nevaner bedienten die eigenartige Takelage zum ersten Mal. Es schien ihnen aber gut zu gefallen und sie hatten immer wieder betont, wie überlegen das Schiff den nevanischen Schiffen war. Der Steuermann hatte Ansa mit Erklärungen überhäuft, die er nicht verstand, und. bemerkt, die Takelage ließe sie ›näher am Wind‹ segeln – was auch immer das bedeuten mochte. Außerdem lobte er die neuen Segel und die Tiefe des Rumpfs. Die Bedienung der wie ein Spinnennetz verwobenen Taue, Winden und Griffe hatte die Nevaner oftmals verzweifeln lassen, obwohl es ihre gute Laune nicht beeinträchtigte. Die Stimmung der Passagiere war weniger fröhlich.
»Macht keine erfreuten Gesichter«, warnte Harakh seine Leute. »Seht erstaunt und verwirrt drein, denn das erwarten sie.«
Ansa musste zugeben, dass Harakh Nerven wie Drahtseile hatte. Wie Shazad vorausgesagt hatte, war er nicht erfreut gewesen, sich das Kommando mit Ansa zu teilen, war aber zu sehr Soldat, um sich zu beschweren. Dennoch verhielt er sich dem jungen Mann gegenüber sehr kühl. Natürlich war das bedeutungslos, dachte Ansa. Jetzt waren Taten gefragt. Er hörte ein leises Kratzen und ein dumpfes Geräusch.
»Jetzt!«, brüllte Harakh.
Ansa sprang auf und spannte die Sehne des Bogens. Auf dem Deck unter ihm herrschte ein völliges Durcheinander, aber er suchte nicht nach einem Ziel, da es bereits während der Planung dieses Überfalls festgestanden hatte. So gerne er Gasam durchbohrt hätte, gab es in diesen Sekunden ein wichtigeres Ziel. Er entdeckte den Steuermann am Ruder und schoss. Die Entfernung war so gering, dass der Pfeil den Körper des Mannes durchdrang und mit einem leisen Platschen im Wasser verschwand.
Enterhaken segelten durch die Luft und bohrten sich in die Reling der Seeschlange. Gasams unverkennbares Gebrüll übertönte den allgemeinen Lärm und wie durch Magie erschien eine Wand aus schwarzen Schilden zwischen den Waffen der Feinde und dem Königspaar.
Mit donnerndem Getöse stürmten die Soldaten aus dem Frachtraum und schon bald standen die Kämpfenden in Dreierreihen entlang der Reling. Pfeile, Steine und Speere sausten durch die Luft. Ansa schoss noch einmal, bis er etwas Unglaubliches sah: Trotz der gewaltigen Überzahl ihrer Feinde griffen die Shasinn das große Schiff an und hatten damit Erfolg! Er war mit den Geschichten über ihren Mut und ihre Geschicklichkeit aufgewachsen und hatte es in den letzten Jahren oft erlebt, aber dieser Vorfall war ungeheuerlich.
Die langen Speere blitzten auf, als die jungen Krieger einander auf die Schultern nahmen und nach den Enterseilen griffen. Offenbar erzielte jeder Stoß eines Speers einen Treffer und das Blut der Nevaner floss in Strömen. Verwirrt begriff er, dass diese Fanatiker ihr Leben mit Freude opferten, um ihrem Herrscherpaar die Möglichkeit zur Flucht zu verschaffen.
Als sich die Reihen ein wenig lichteten, erspähte
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