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Fremde Schwestern: Roman (German Edition)

Fremde Schwestern: Roman (German Edition)

Titel: Fremde Schwestern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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sei, ein typischer Buddhist. Auch sie hat wieder angefangen, sich mit Buddhismus zu beschäftigen.
    »Wenn es dir hilft …«
    »Vielleicht habe ich noch eine Chance.«
    »Natürlich. Du musst nur bis zur Operation durchhalten.«
    »Das meine ich nicht. Ich denke an Chris. Er liebt mich wirklich.«
    »Weiß er von deiner Krankheit?«
    »Ja.«
    Ich bleibe stehen, sehe Lydia an. »Ihr müsst vorsichtig sein. Hepatitis C wird zwar in erster Linie auf dem Blutweg übertragen …«
    »Franka, ich brauche keinen Aufklärungsunterricht.«
    »Nimm es als gutgemeinten Rat. Du willst doch nicht, dass Chris auch krank wird.«
    »Mach dir keine Sorgen.«
    Wir gehen weiter.
    »Chris sagt, ich schreie nicht im Schlaf.«
    »Dann ist die Phase vorbei.«
    »Oder es liegt daran, dass ich nicht mehr allein schlafen muss. Am liebsten würde ich am Sonntag mit ihm fahren.«
    »Wohin?«, frage ich alarmiert.
    »Er geht für zwei Wochen auf Deutschlandtournee.«
    »Lydia, eine solche Reise …«
    »… wäre viel zu anstrengend für mich, ich weiß. Außerdem könnte ich meine Arzttermine nicht einhalten. Deshalb will Chris auch nicht, dass ich mitkomme.«

    Im Nachhinein frage ich mich manchmal, wie die Dinge sich entwickelt hätten, wenn Chris da gewesen wäre, als sich die Situation in Lydias Wohngruppe von einem Tag auf den anderen veränderte.
    Ein trüber Samstagmorgen im November. Ich habe Merle zu Lydia gebracht, will einkaufen fahren. Im Flur steht plötzlich eine große, stämmige Frau vor mir, schwarze Lederhosen, T-Shirt mit Leopardenmuster.
    »Sind Sie die Schwester von Lydia Daniels?«
    »Ja.«
    »Ich muss was mit Ihnen besprechen.«
    Ich folge ihr in den Gemeinschaftsraum.
    Sie schließt die Tür, lässt sich aufs Sofa fallen, zündet sich eine Zigarette an.
    »Mein Zimmer liegt direkt neben dem Ihrer Schwester. Ich bin gestern aus der Reha entlassen worden und brauche absolute Ruhe. Ihre Schwester schreit im Schlaf. So jemand hat mir gerade noch gefehlt.«
    »Sie leidet unter Alpträumen, vor allem, wenn sie allein schläft. Sobald ihr Freund wieder da ist …«
    »Ich habe versucht, ihr begreiflich zu machen, dass sie was unternehmen muss. Vielleicht gibt’s ein Medikament, das ihr helfen könnte. Aber davon will sie nichts wissen. Im Gegenteil, sie findet mich unverschämt und wär mir fast an die Gurgel gesprungen.«
    »Tut mir leid, ich …«
    In dem Augenblick wird die Tür aufgerissen.
    »Was fällt dir ein, mit dieser Frau zu reden?«, schreit Lydia.
    »Wollen wir nicht versuchen …«
    »Was kann ich dafür, dass ich manchmal im Schlaf schreie?«
    Jetzt taucht Merle hinter ihr auf. Sie blickt erschrocken von Lydia zu mir und wieder zu Lydia.
    Die Frau steht auf, geht zum Fenster.
    »Deine Mitbewohnerin meint, dass es möglicherweise ein Medikament gibt, das du nehmen könntest«, sage ich.
    »Misch dich nicht ein.«
    »Sie scheinen zu glauben, dass Sie’s nicht nötig haben, mit mir zu reden«, faucht die Frau und lässt ihre Asche auf den Boden fallen. »Ich kann Ihnen versichern, dass Sie sich täuschen.«
    »Sie sind ja nicht ganz normal, wenn Sie ein solches Theater machen, nur weil Sie heute Nacht mal wach geworden sind!«, brüllt Lydia.
    »Ich warne Sie.« Die Frau geht auf Lydia zu. »Dies ist mein Zuhause, und das lasse ich mir von so einer wie Ihnen nicht kaputt machen.«
    Lydia starrt sie an. Gleich wird sie auf sie losgehen.
    »Mama!« Merle greift nach Lydias Hand.
    Die Frau verlässt das Zimmer, schlägt die Tür hinter sich zu.
    »Ich krieg Angst, wenn du so brüllst«, sagt Merle.
    »Mit der Frau kann ich nicht in einer Wohnung leben.«
    »Dann musst du mit dem Sozialdienst reden.«
    »Da ist samstags keiner.«
    Ich zögere. Merle sieht mich bittend an.
    »Willst du mit zu uns kommen?«

    Wir reden nicht mehr über die Frau, über die Wohnung. Wir kaufen ein. Lydia will etwas Indisches kochen, ein Hähnchen-Curry mit Reis und Spinat. Mutter und Tochter sind in bester Stimmung.
    Ich lasse mich von ihnen anstecken.
    Später sehe ich Lydia beim Kochen zu. Sie ist flinker, geschickter als ich.
    »Wo hast du kochen gelernt?«
    »In Südafrika. Ich hatte einen Freund, der ein kleines Restaurant in Kapstadt besaß. Dort gab es köstliche Fischgerichte.«
    »War das Jeff?«
    »Jeff?« Lydia lacht. »Nein, Jeff hat nie in seinem Leben gearbeitet. Er hatte einen reichen texanischen Vater, der ihm seine Reisen finanzierte.«
    »Wie hieß er denn, der Freund?«, fragt Merle ungeduldig.
    »Steve. Ich

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