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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Immerhin sind mit ihrem Namen auch keine Skandale verbunden. Das ist schon mehr, als wir von vielen ihrer Kollegen zu berichten haben.
    Die Frankfurter Rundschau schrieb von einer braven Partei soldatin, die an Erschöpfung gestorben sei, die Süddeutsche Zeitung von der Tragik eines Politikerlebens, dem es nicht vergönnt gewesen sei, eigene Fußspuren in der Politik zu hinterlassen,
     und dies möglicherweise auch nicht angestrebt habe. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung lobt diese Bescheidenheit, effizient durch Unauffälligkeit, schrieb das Blatt, und die taz titelte unter einem schmalen zweispaltigen Nachruf:
    Wofür?
    All diese Artikel zeichneten das Bild einer unspektakulären Frau, an der das Auffälligste gewesen sei, dass sie in keine Skandale
     verwickelt war, obwohl sie ihren Wahlkreis in Berlin hatte.
    Die FAZ druckte ein Porträtfoto Angelika Schöllkopfs. Dengler betrachtete das Bild lange. Die Frau hatte ein kräftiges Gesicht, volle
     Backen, die ihrem Gesicht bäuerliche Züge verliehen. Das Lächeln wirkte aufgesetzt. Wahrscheinlich auf Anweisung des Fotografen
     erzeugt. Die Kleidung, Bluse mit Jackett und eine Perlenkette, suggerierten Normalität. Die Augen blickten ruhig in die Kamera
     und gaben dem Bild keine besondere Prägung. Könnte diese Frau aus Leidenschaft ermordet worden sein? Dengler lächelte bei
     diesem Gedanken. Er las die Berichte ein zweites Mal, aber nirgends fand sich die Spur zu einem Mordmotiv.
    Aus dem Kopfhörer tönte Dolls monotone Stimme.
    Die Presseartikel brachten ihn nicht weiter.
    Er nahm ein Blatt aus dem Drucker und notierte einige Fragen:
    Ärztliche Betreuung?
    Gab es einen Arzt in der Nähe?
    Wer stellte den Totenschein aus?
    Wohin wurde die Leiche gebracht?
    Gab es eine Autopsie?

[ Menü ]
    Videosequenz bellgard3.mpg
    »Ich kenne meine Auftraggeber nicht, und sie kennen mich nicht. Das ist ein Grundsatz in diesem Geschäft. Deshalb kann ich
     es immer noch nicht fassen, ja, ich war völlig schockiert, als mich dieser Kunde auf dem Handy anrief und mich fertigmachen
     wollte. Mir drohte.
    In früheren Zeiten wurden geheime Nachrichten über tote Briefkästen weitergegeben. Im Grunde ist das heute immer noch so.
     Ein persönliches Treffen findet nie statt. Die Information wird irgendwo deponiert. Ich hole sie ab. Aber nicht mehr in einem
     hohlen Baum oder in einem bestimmten Buch in einer öffentlichen Bibliothek. Der moderne tote Briefkasten ist das Internet.
     Der Auftrag wird mit allen Angaben verschlüsselt an einer bestimmten Stelle im Internet abgelegt. Natürlich rufe ich die Daten
     immer von einem anonymen öffentlichen Telefon aus ab oder von einem Internet-Café. Niemals benutze ich dasselbe Telefon oder
     dasselbe Internet-Café. Mittlerweile reise ich sogar in andere Städte. Flughäfen sind auch gut.
    Dann dechiffriere ich den Text auf meinem Rechner. Mittlerweile kenne ich jedoch die Kontaktperson. Ich habe ihn sogar schon
     mal angerufen wegen einer Rückfrage, als es schnell gehen musste. Er hat seitdem meine Handynummer. Aber nur in absoluten
     Notfällen nehmen wir direkt Kontakt miteinander auf. Gemeinhin tun wir so, als wüssten wir nichts voneinander. Er heißt Wilfried
     Schumacher und hat ein eigenes Büro in der Friedrichstraße. Business Consult steht dran. Ich verdächtige Schumacher, dass
     er meine Handynummer dem Kunden weitergegeben hat. Er weiß, dass das gegen alle Regeln ist. Er bringt mich dadurch in Gefahr.
     Aber vielleicht ist ihm nicht klar, dass dies auch für ihn Gefahr bedeutet. Große Gefahr.«

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    Olgas Blässe
    Es kostete ihn nur einen Blick auf die Homepage des Bundestages. Das Parlament verfügte über einen eigenen ärztlichen Dienst.
    Er notierte sich die Nummer.
    »So, für heute mache ich Schluss«, sagte Doll in seinem Kopfhörer.
    Dengler hörte, wie er eine Schublade aufzog und wieder schloss. Die Raumüberwachung mithilfe des Telefons lieferte eine gute
     Tonqualität, solange sich die Zielperson in der Nähe des Telefons aufhielt, verschlechterte sich jedoch rapide, wenn die Person
     sich entfernte.
    Nun telefonierte Doll mit seiner Frau, kündigte ihr an, dass er in wenigen Minuten zu Hause sein werde. Dengler hörte ihre
     Stimmen so deutlich, als hätte er eine normale Netzverbindung gewählt.
    Dann war es still. Das Büro war leer, und Dengler nahm den Kopfhörer ab.
    Beide haben wir einen langen Arbeitstag hinter uns gebracht, dachte er und fühlte, wie die schlechte Laune sich erneut in
    

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