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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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klein, Crommschröder schätzt ihn auf kaum mehr als 1,65 Meter, kugelrund, aber trotzdem
     wach und flink.
    In den drei Stunden referiert der Puderer die Arbeit seiner Stabsstelle. Crommschröder kommt sich vor wie ein frisch gesalbter
     König, der in die geheimsten Staatsgeheimnisse eingeweiht wird, oder wie ein neu vereidigter amerikanischer Präsident, der
     nun erfährt, wie das Rote Telefon funktioniert. Der Puderer rattert die Namen von bekannten Politikern,Beamten und Professoren herunter, versieht die Namen mit jenen Summen, die für die Zahlungen des Konzerns, ob direkt oder
     über Spenden, Drittmittel oder Beratungsverträge stehen. Auch wenn der kleine, dicke Mann gut gelaunt und aufgeräumt wirkt,
     die Fakten und Daten, die er auswendig referiert, sind knallhart, bestens strukturiert und bis auf die Kommastellen genau.
    Crommschröder erläutert dem Puderer seine Pläne. Um Einleitungsrechte für Wasser in alle bestehenden Leitungssysteme zu erreichen,
     müsse man sicher auf seine Dienste zurückgreifen. Der Puderer hört aufmerksam zu und notiert sich hin und wieder ein Stichwort.
    Zum Abschluss zögert er einen Augenblick, sagt dann, wenn Crommschröder Hilfe brauche, könne er sich jederzeit an ihn wenden,
     und verschwindet, noch einmal leutselig winkend.
    Die Zusammenarbeit mit dem Puderer funktioniert in den folgenden Jahren ausgezeichnet. Crommschröder bewundert, wie der Puderer
     und sein Stab Feuerwehr spielen für den Konzern in den verfahrensten Situationen
    – lautlos, aber höchst effizient arbeitet das perfekt gewebte Netz ihrer Verbindungen.
    Doch dann gibt es einen Zwischenfall, der ihre Beziehung vorübergehend trübt. Crommschröder erfährt, dass Stechwasser, einer der Konkurrenten der VED im Wassergeschäft, Gudrun Dresdner engagiert hat. Die ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen
     soll für Stechwasser die Wasserprivatisierung im Osten Deutschlands vorantreiben. Außer sich vor Wut eilt Crommschröder zum Puderer und stellt
     ihn zur Rede: Warum er ihn, Crommschröder, nicht unterrichtet hat, dass die Frau zu haben sei. Das wäre doch ein Coup! Eine
     Bundesvorsitzende der Grünen als Aushängeschild.
    Zum ersten und einzigen Mal erlebt Crommschröder Puderer ratlos. Nie und nimmer, beteuert der Puderer, habe er damit gerechnet,
     dass diese Frau zu kaufen sei. Er entschuldigtsich wortreich, doch Crommschröder lässt ihn stehen und verzichtet für einige Zeit darauf, die Dienste des Puderers in Anspruch
     zu nehmen. Doch schon bald arbeiten die beiden wieder zusammen; der Puderer gibt sich jovial wie eh und je, als habe es nie
     eine Verstimmung gegeben.

[ Menü ]
    Paradiesvogel
    Stefan C. Crommschröder ist sich im Klaren darüber, dass er im VED-Konzern als Paradiesvogel gilt, wenn man es positiv ausdrücken
     will (so tut er es), ein Fremdkörper, wenn man es negativ formuliert (so wie Waldner es tut, wie ihm hinterbracht wurde).
    Von vornherein verweigert er sich den traditionellen Konzernritualen. Das übliche »Fick du meine Sekretärin, ich ficke deine«
     macht er nicht mit. Er behandelt die Frauen in seinem Vorzimmer mit Respekt, bringt ihnen hin und wieder Blumen und im Sommer
     Eis mit, und zweimal im Jahr lädt er sie zu einem Essen in ein außergewöhnliches Restaurant ein. Er ist sich sicher, dass
     keine Angestellte in seinem Büro so wegwerfend über ihn spricht wie Waldners Assistentinnen, die ihren Chef verachten und
     daraus auch keinen Hehl machen. Kein negatives Gerücht wird von seinem Vorzimmer aus die Runde durch den Konzern machen.
    Er kleidet sich bewusst anders als Waldner und Konsorten. Sie tragen ihre Brioni-Anzüge wie eine Uniform. Blau und teuer,
     und wenn sie modisch sein wollen, kombinieren sie dazu rosa Hemden, manchmal auch hellblaue mit weißen Kragen.
    Crommschröder trägt meist Armani. Eher schwarz als blau. Er wirkt eleganter als die anderen Herren aus der Vorstandsetage.
     Giorgio Armanis Anzüge betonen seine schlanke Figur und grenzen ihn ab von den Bäuchen und Specknacken seiner Kollegen.
    Auch bei den Sitzungen, bei den gemeinsamen Pils- und Kornabenden an der Bar bleibt Crommschröder Außenseiter. Er kann keine
     alten Vertriebskamellen erzählen: von Aufträgen prahlen, die in einem Petersburger Puff auf den weißen Manschetten ihrer Hemden
     unterschrieben wurden,von durchgesoffenen Nächten auf einer finnischen Hütte oder von Massenorgien im Oriental.
    Er will es auch nicht.
    Mit soziologischem Interesse studiert

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