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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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der Runde um.
    »Ich male gerade das Bild meines Lebens. Aber nebenbei muss ich ein paar Euro dazuverdienen. Da hab ich diesen Job angenommen.«
    Dengler fragte: »Was ist das für ein Job?«
    »Es ist ein Internetportal. Es heißt ›Find Love – Finde Liebe‹. Eine Art Partnerschaftsvermittlung. Gibt es ja viele davon
     im Netz. Aber nicht alle haben so viele Mitglieder und Suchende, wie sie angeben. Da gibt es dann Leute wie mich, die stellvertretend
     für sie antworten. Die sehen eine Frau oder einen Mann im Netz und wollen sie oder ihn kennenlernen. Landen aber bei mir.
     Die Nachrichten, die sie verschicken, sind nicht ganz billig, und einen Teil davon bekomme ich. 9 Cent pro SMS.«
    Alle redeten nun durcheinander, und Dengler verstand nichts mehr.
    Der kahlköpfige Kellner brachte eine neue Flasche Grauburgunder.
    »Und wie viele Personen sind ... bist du?«, fragte Klein.
    »Sechs.«
    Erneut redeten alle durcheinander.
    »Lacht nicht. Dieser Job ist gar nicht so einfach. Bei jeder der eingehenden SMS muss ich wissen, an welche meiner verschiedenen
     sechs Identitäten sie gerichtet ist, wie weit unser Dialog gediehen ist. Man kommt leicht durcheinander.«
    Das Handy auf dem Tisch gab einen leichten Knurrton von sich und zeigte damit an, dass eine neue Nachricht eingetroffen war.
    Mario schaltete es ab.
    »Feierabend für heute«, sagte er.
    »Erzähl mal von deinen sechs Leben«, sagte Harder.
    »Nun, eben war ich die junge Frau mit dem dringenden Wunsch nach Analverkehr – Angie. Dann bin ich noch Herbert, der gut verdienende
     Geschäftsführer einer Computerfirma mit Kinderwunsch. Thea – eine reife Mittvierzigerin auf der Suche nach Erotik ohne einengende
     Bindung. Macht mir auch viel Arbeit. Ihr ahnt nicht, wie Thea die Phantasie von Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen beflügelt.
     Die verchatten ihr ganzes Taschengeld mit mir.«
    »Und – wollen deine Partner dich nicht mal treffen? Oder zumindest mit dir telefonieren? Eine Stimme wie jemand, der Thea
     heißt, hast du ja nun wirklich nicht«, sagte Dengler.
    »Mein Job besteht darin, diesen Moment so lange wie möglich hinauszuziehen«, sagte Mario, »ich muss die Armen vertrösten.«
    Erneut redeten alle durcheinander. Mario flüsterte Olga etwas ins Ohr. Sie lachte, doch dann stockte sie mitten in der Bewegung,
     und Dengler schien es, als höre sie Mario nicht mehr zu. Sie starrte an Dengler vorbei mit einem weiß und fahl gewordenen
     Gesicht. Er drehte sich um, um in Olgas Blickrichtung sehen zu können. Hinter der regennassen
    Scheibe des Basta glaubte er für einen Moment etwas Helles zu sehen, einen Schemen, der sofort wieder verschwand. Oder war es eine Lichtspiegelung?
     Doch nun peitschte nur noch der Wind den Regen gegen das Glas.
    Er sah wieder zu ihr hin.
    Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Die Augen geweitet und rot.
    Mühsam stand sie auf.
    »Olga, was ist mit dir?«
    Sie sah zu ihm, aber Dengler war nicht sicher, ob sie ihn wirklich wahrnahm. Es schien so, als blicke sie durch ihn hindurch.
    »Mir ist nicht gut«, sagte sie, »ich gehe nach oben.« Dengler stand auf.
    »Ich bringe dich hinauf.«
    Er stützte sie am Arm, als sie durch das Basta zur Tür gingen. Sie traten ins Freie, und Olga sah sich um. Zu ihrer Haustür waren es nur drei Meter.
    »Georg«, sie lehnte sich leicht an ihn, »den Rest des Weges schaffe ich allein.«
    »Olga, ich ...«
    »Ich bitte dich. Ich muss alleine sein.«
    Dann ging sie ins Haus.
    Georg Dengler stand eine Weile ratlos vor der Tür und kehrte dann ins Basta zurück.
    Die Stimmung am Tisch war verflogen. Die Freunde bestürmten ihn, was mit Olga sei. Er hatte keine Ahnung. Sie saßen noch eine
     halbe Stunde zusammen, dann brachen sie auf.
    Dengler stieg vorsichtig die Treppe hinauf zu Olgas Wohnung. Er klopfte an ihrer Tür. Nichts. Er rief ihren Namen. Doch Olga
     rührte sich nicht.

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    Blues
    Dengler schlief schlecht.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit begleitete die Fledermaus wieder seine Träume. Er fuhr in einem kleinen Kahn mitten auf stürmischer
     See. Er versuchte, das Boot mit einem langen Stock zu steuern, doch der Kahn tanzte auf den Wellen, und er schaffte es nicht,
     ihn in ruhiges Wasser zu lenken. Mit einer Hand musste er sich am Bootsrand festhalten, sonst wäre er über Bord gegangen.
     Die Fledermaus umkreiste das Boot, und Dengler war sich nicht sicher, ob sie auf den Augenblick wartete, an dem er sie nicht
     beachtete. Immer dann schoss sie auf

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