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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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darüber nicht am Telefon reden.«
    »Ich bin heute Abend wieder da.«
    »Gut«, sagte sie und legte auf.
    Dengler probierte den Kaffee. Er war dünn und lauwarm. Georg Dengler ließ ihn stehen, zahlte und ging.
    Draußen fischte er sich ein Taxi aus dem Verkehr. Als er neben dem Fahrer saß, zog er sein Notizbuch hervor und blätterte
     in den Aufzeichnungen, die er sich bei dem Gespräch mit der alten Frau gemacht hatte. Er gab dem Fahrer eine Adresse.
    Der pfiff leise durch die Zähne.
    »Vornehme Gegend, das«, sagte er und fuhr los.
    * * *
    Es öffnete ihm ein schlanker, hochgewachsener Mann, den Dengler auf Anfang fünfzig schätzte. Seine schwarze Kleidung erinnerte
     weniger an einen Trauernden als an einen nach der neusten Mode gekleideten Architekten.
    »Herr Schöllkopf?«
    Der Mann nickte.
    »Guten Tag, ich heiße Georg Dengler, ich ermittele im Todesfall Ihrer Frau. Es sind noch einige wenige Fragen offen.« Dengler
     hoffte, dass der Mann ihn nicht nach irgendwelchen Ausweispapieren fragen würde. Und er tat es nicht.
    »Kommen Sie herein«, sagte er und ließ ihm den Vortritt.
    Schöllkopf führte ihn in ein modern und kühl eingerichtetesWohnzimmer. Zwei schwarze Ledersofas. Schwere Sessel aus weißem Baumwollstoff. Langer Tisch aus einem Dengler unbekannten
     schwarz-weiß gemusterten Material. Bodenlange weiße Vorhänge. Zahlreiche Stehleuchten. Durch die Terrassentüren Blick auf
     einen großen Garten.
    »Nehmen Sie Platz.«
    Eine Geste zur schwarzen Ledercouch. Dengler setzte sich. Schöllkopf ließ sich in den Sessel ihm gegenüber sinken. Auf der
     Stuhllehne lag ein aufgeschlagenes Buch. Leyla von Feridun Zaimoglu, registrierte Dengler.
    »Gibt es etwas Neues?«, fragte der Mann.
    »Nein, wir werden die Akte schließen. Ihre Frau starb an einem Herzinfarkt. Trotzdem ... In diesem Fall... Wir müssen alle
     Möglichkeiten in Erwägung ziehen.«
    »Natürlich«, sagte der Mann.
    »Hatte Ihre Frau Feinde? Ernsthaft Feinde, meine ich.«
    »Nein.«
    »Parteifreunde?«
    Schöllkopf lachte bitter.
    »Da wüsste ich so manche Geschichte zu erzählen. Aber keine ist so ernst, dass ...«
    »Verstehe«, sagte Dengler. »Ihre Frau wollte eine Rede halten. Wissen Sie, um was es ging?«
    »Peanuts. Es war eine Sitzung, wie viele andere auch. Ein Dutzend Gesetze an einem Nachmittag. Alle vorher in den Ausschüssen
     bis aufs Komma abgestimmt. Wussten Sie, dass bei den meisten Gesetzen auf eine Debatte verzichtet wird? Meine Frau sollte
     nur die Zustimmung ihrer Fraktion verkünden. Routine.«
    »War sie für ihre Partei eine wichtige Abgeordnete?« »Nein.«
    »Nein?«
    »Sie war wohl das, was man eine Hinterbänklerin nennt. Sie machte ihre Arbeit zuverlässig. Aber sie drängte sich nicht vor.
     Sie war für niemanden eine Konkurrenz.«
    »Haben Sie sich an diesem letzten Morgen gesehen?«
    »Ja, natürlich. Wir frühstückten zusammen.«
    »Fiel Ihnen etwas Besonderes an Ihrer Frau auf? Ich meine ...«
    »Ja. Ich habe es schon Ihren Kollegen gesagt. Sie klagte über leichte Atembeschwerden. In der Nacht hatte sie schlecht geschlafen.
     Nichts Schlimmes, so sagte sie. Aber heute weiß ich, dass es der Anfang ...«
    Es war eine Weile still.
    »Die Eltern Ihrer Frau? Wie haben sie ...«
    »Sie starben früh. Als Angelika noch klein war. Sie wurde von ihrer Großmutter großgezogen.«
    »War Ihre Frau ansonsten gesund? Oder hatte sie schon früher etwas am Herzen?«
    »Sie war Sportlerin. Früher. Sie hat gerudert. Nie gab es nur ein Anzeichen ...«
    Seine Augen wurden feucht.
    »Es tut mir leid«, sagte Dengler und erhob sich.
    »Papiii ...«
    Eine laute Kinderstimme. Weinend.
    Ein Mädchen rannte die Treppe herunter, lief auf Schöllkopf zu, die Arme weit ausgebreitet, sah Dengler und blieb wie angewurzelt
     stehen. Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    Schöllkopf sprang auf und nahm es auf den Arm und tröstete es.
    »Maria«, sagte er zu Dengler, »unsere Tochter.«
    Aus dem Gesicht des Kindes waren alle Tränen verflogen. Neugierig betrachtete es Dengler. Der lächelte, und ein freundliches
     Lächeln überflog auch Marias Gesicht.
    Das Mädchen erinnerte Dengler an ein Indiokind. Es hatte rotbraune glänzende Haut, dichtes schwarzes Haar zu einer Art Prinz-Eisenherz-Frisur
     geschnitten und mandelförmig asiatische Augen.
    Schöllkopf musste die Frage in Denglers Gesicht bemerkt haben.
    »Maria ist unsere Adoptivtochter«, sagte er und küsste die Kleine.
    »Ich komme von den Philippinen«, rief das

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