Fremde Wasser
Die Tür zu seinem Büro stand offen.
Drinnen alles gleißend ausgeleuchtet.
Drei Männer in weißen Overalls.
Spurensicherung.
»Was ist los?«
Der Beamte winkte ihm.
Dengler folgte ins Wohnzimmer.
Der Mann mit dem wippenden Marionettengang lag vor seinem Sofa. In seiner Stirn klaffte eine zehn Zentimeter große Wunde.
Der Mund mit Klebeband verschlossen. Messerschnitte im Gesicht. Hände auf dem Rücken gebunden. Hose und Unterhose heruntergezogen.
Hoden schwarz.
»Jemand hat ihm die Eier zerquetscht.«
Blut überall.
Die Leiche hatte keine Finger mehr.
»Jemand hat ihm die Finger zertreten.«
Blutige Fußabdrücke auf dem Boden.
Dengler ging in sein Büro.
Der Tresor sah unberührt aus.
Er öffnete ihn. Die Pistole lag an ihrem Platz. Auch sonst
fehlte nichts.
»Von Diebstahl gehen wir nicht aus«, sagte Hauptkommissar
Weber aus dem Nebenraum.
Dengler ging zurück und starrte auf die Leiche.
»Kennen Sie den Mann?«
»Ich habe ihn zweimal unten im Lokal gesehen.«
»Sonst nichts?«
»Nein. Ich habe nie ein Wort mit ihm gewechselt.«
»Ein Gast wie viele andere auch?«
»Dachte ich, ja.«
»Georg!« Olga stand an der Tür.
Sie flog in seine Arme.
Hauptkommissar Weber musterte sie nachdenklich.
»Kommen Sie bitte mit.«
Weber ging voraus. Die Treppe hinunter.
Dengler nahm das Ladegerät für sein Handy aus dem Regal
und steckte es in die Tasche.
Das Basta war hell erleuchtet. Der kahlköpfige Kellner stand
hinter der Bar und polierte Gläser. Dengler gab ihm Handy
und Ladegerät. Er nickte und nahm beides an sich.
Ein Mann saß am Tresen. Dunkle Locken. Schnauzer. Ein
Glas Weißwein vor sich. Er rauchte.
Muss auch ein Bulle sein, dachte Dengler.
»Mein Stellvertreter, Hauptkommissar Joppich«, sagte Weber.
»Wissen Sie, Kollege Joppich ist heute gar nicht gut drauf. Er ist in Ihrem Hausflur über eine Angelschnur gestolpert und
hat sich auf der Treppe hingestreckt. Geht's denn wieder, Kollege Joppich?«
Der Mann drückte seine Zigarette aus und schickte Olga
einen flackernden Blick nach. Dann glitt er vom Barhocker.
Sie setzten sich an den langen Tisch.
Weber zückte ein Notizbuch. Joppich zündete sich eine neue Zigarette an.
»Sie sind ja ein ehemaliger Kollege und kennen die Prozedur«, sagte Weber. »Also: Wo waren Sie vor zwei Stunden?« Dengler
griff in die Westentasche seines Jacketts und zog die Flugtickets heraus.
»In der Luft.«
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Die Suche geht weiter
Dengler erzählte den Kommissaren von den beiden Männern, die Olga bedroht hatten. Er berichtete auch von dem Kampf vor dem Basta.
»Ich dachte, die würden nicht zurückkommen«, sagte er.
»Dachten Sie das auch?«, fragte er Olga.
Sie schüttelte stumm den Kopf.
»Wissen Sie, wie die beiden Männer heißen?«, fragte er sie. »Nur den Namen meines ... meines früheren Mannes.«
»Dann bitte ich Sie, ins Präsidium mitzukommen und sich einige Fotos anzuschauen. Dann finden wir vielleicht auch den Namen
des zweiten Mannes«, sagte Weber und erhob sich.
Im Polizeipräsidium dauerte es nicht länger als eine Stunde, bis Olga und Georg das Foto des zweiten Mannes identifiziert
hatten. Weber leitete die Fahndung ein.
Georg und Olga warteten in seinem Büro.
»Es ist uns immer noch nicht gelungen, die Leiche zu identifizieren«, sagte Weber, als er wieder zu ihnen kam. »Wir haben
Gummihandschuhe gefunden, die der Mann getragen hat. Wir versuchen gerade, daraus seine Fingerabdrücke zu rekonstruieren.«
Der Polizeicomputer gab nichts her.
Der Bildschirm zeigte nun das Gesicht des Toten.
»Ich kenne diese Visage irgendwoher«, sagte Weber, »das ist ein Kunde.«
Dengler sah, wie sich die Stirn des Hauptkommissars in Falten legte.
»Ich komm nicht drauf. Aber ich hab das Gesicht schon einmal gesehen.«
»Vielleicht ist es ein Kollege?«
Weber sah ihn missbilligend an und runzelte die Stirn.
Georg Dengler erzählte ihm von dem Anruf Dr. Scheuerles. Und dass er zunächst angenommen hatte, Scheuerle habe ihm einen Aufpasser
geschickt.
Weber stand wortlos auf und verließ das Zimmer.
Nach zwanzig Minuten kam er wieder. Er setzte sich Dengler gegenüber und sah ihn nachdenklich an.
»Es war kein Kollege. Sie wurden auch nicht vom BKA überwacht«, sagte er.
Schweigen.
Weber wandte sich an Olga.
»Wo waren Sie heute Abend?«
»Ich?« Olga sah ihn erstaunt an.
»Ja, wo waren Sie?«
»Nun, ich war spazieren.«
»Welchen Weg? Hat Sie jemand gesehen?«
»Ich verließ das
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