Fremde Wasser
Liste der gewählten und angenommenen Rufnummern der letzten beiden Monate umfasste drei große Dateien.
Es würde eine lange Nacht werden.
Um vier Uhr morgens stand er von seinem Schreibtisch auf. Es war dunkel in seinem Büro. Nur die kleine Schreibtischlampe spendete
etwas Helligkeit, und der Bildschirm des Rechners verbreitete bläuliches Licht im Raum.
Sein Rücken schmerzte. Er spannte die Muskulatur. Trat zum Fenster. Immer noch regnete es.
Er hatte eine einzige Verbindung gefunden. Vom Handy des Energiekonzerns war am gleichen Tag, an dem Angelika Schöllkopf starb,
ein Telefonat zu Business Consult in der Friedrichstraße geführt worden. Dengler überprüfte die Uhrzeit. Schöllkopf starb um 11.32 Uhr. Der Anruf war um 10.45
Uhr registriert. Dass zu diesem Zeitpunkt dieses einzige Telefonat zwischen dem Energiekonzern und Business Consult geführt
wurde: nur ein Zufall?
Bestimmt nicht, sagte die innere Stimme. Er musste mehr in Erfahrung bringen.
Welcher Person gehörte dieses Handy?
Dengler streckte sich. Endlich schlafen.
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Schlechte Nachrichten
Stefan C. Crommschröder steht am Podium des Audimax der Heidelberger Universität und nimmt den Beifall der Studenten entgegen,
als Berger ihn anruft.
Wie hat er sich auf diesen Tag gefreut!
Der Sohn kehrt zurück an die alte Stätte seines Wirkens – als Gastredner.
Später können sie mir hier mal einen Ehrendoktor verleihen. Das wär's doch. Der Waldner hat keinen.
Nach der verlorenen Schlacht von Cochabamba hat er Berger das Hamburg-Projekt übergeben. Die Verhandlungen mit dem Senat kommen
gut voran. Berger scheint die bolivianische Niederlage verdaut zu haben. Er arbeitet zielbewusst, unterrichtet Crommschröder
wöchentlich über den Fortschritt des Projektes. Er weiß, dass er eine Schlappe aufzuarbeiten hat.
Eine Truppe von Ingenieuren arbeitet an einem Konzept zur Umstellung der Hamburger Wasserversorgung zurück auf Elbwasser.
Sie sind erfreulich weit. Bereits vor fünfzig Jahren bezogen die Hamburger ihr Trinkwasser aus der Elbe. Jetzt sind sie stolz
auf die Versorgung mit Grundwasser. Drei Werbeagenturen arbeiten an einer Strategie, die neuerliche Umstellung als kontinuierliche
Verbesserung zu verkaufen.
Noch ist ihnen nichts Vernünftiges eingefallen.
Berger meint, das wird schon werden. Doch jetzt, als er sich bei Crommschröder in Heidelberg meldet, hat er wieder das Cochabamba-Flackern
in seiner Stimme.
Ein Bürgerbündnis habe sich gegründet. Sie sammeln Unterschriften für ein Volksbegehren. Ein Volksbegehren gegen den Verkauf
der Hamburger Wasserwerke.
Seine Ansprechpartner im Senat seien beunruhigt, weil inkurzer Zeit sehr viele Unterschriften zusammengekommen seien. Einige der Abgeordneten fürchteten offenbar um ihre Wiederwahl,
das seien die unsicheren Kandidaten bei einer Abstimmung im Senat.
Der Wirtschaftssenator trommle zwar für einen Verkauf. Bediene sich auch korrekt der offiziellen Argumentation: Die öffentliche
Hand sei kein guter Unternehmer. Privatisierung verbessere die Effizienz. Die Qualität des Wassers könne über Qualitätsstandards
der Politik gesichert werden, an die sich auch Private halten müssten. Und so weiter.
Der Senat habe nun die Absicht, Volksbegehren generell abzuschaffen oder so zu erschweren, sodass sie de facto abgeschafft
würden.
»Aber beim Kauf der Wasserwerke kann uns dieses Bürgerbegehren einen Strich durch die Rechnung machen«, sagt Berger.
»Wie stehen die Chancen, dass wir, mit voller Unterstützung vom Senat, den Hamburger Zeitungen und einer groß angelegten Werbekampagne,
die Volksabstimmung für uns entscheiden?«
»Keine Chance«, sagt Berger.
»Ich schmeiß ihn doch noch raus«, denkt Crommschröder und unterbricht die Verbindung.
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Abgefangen
Die erste Maschine nach Berlin startete vom Stuttgarter Flughafen Echterdingen um kurz vor sieben. Am Flughafen Tegel mietete
Dengler einen Renault Kastenwagen, lud den IMSI-Catcher auf die Ladefläche und fuhr los.
Bereits um Viertel vor neun stand er vor einem Haus in der Fehrbelliner Straße. Den Renault hatte er eine Straße weiter am
Teutoburger Platz geparkt.
Kontrollanruf über das Handy.
»Entschuldigung, ich habe mich verwählt.« – Seine Zielperson hatte den Hörer abgenommen, war also noch in der Wohnung.
Das Handy schaltete sich ab. Akku leer. Er ärgerte sich über sich selbst.
Ich hätte es gestern Abend noch aufladen sollen.
Er musste eine
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