Fremde Wasser
Basta gegen acht und ging zu Fuß ins Schlosshotel. Dort saß ich für einen Drink an der Bar. Der Barkeeper
müsste sich erinnern.«
Sie hat eine kleine Diebestour unternommen.
Dengler bekam weiche Knie. Er sah Olga an, doch sie schüttelte unmerklich den Kopf.
Weber notierte sich ihre Angaben.
»Wir werden das überprüfen«, sagte er.
Dann wandte er sich an Dengler.
»An welchen Fällen arbeiten Sie?«
Dengler schilderte ihm den Fall Schöllkopf. Doch er erzählte Weber nichts von den Telefonnummern, die er dem Unbekannten im Basta abgenommen hatte. Weber notierte Denglers Angaben.
»Ich glaube, für heute können Sie gehen«, sagte er dann.
»Kann ich wieder in meine Wohnung?«, fragte Dengler.
»Ja. Die Spurensicherung ist fertig. Ich melde mich, wenn ich noch weitere Fragen habe. Sie haben doch nicht vor, für längere
Zeit ins Ausland ...?«
Dengler schüttelte den Kopf.
Olga sprang auf. Sie verabschiedeten sich von Weber und verließen das Polizeipräsidium.
[ Menü ]
Irene
Crommschröder fühlt sich wie eine Maus, gefangen in einem Karton. Sein Verstand rast die Wände entlang, klopft sie ab und
sucht ein Loch, aus dem er entkommen kann.
Hamburg ist endgültig gescheitert.
Die Unterschriftenaktion des Bürgerbündnisses war so erfolgreich, dass der Senat eingeknickt ist. 64 000 Unterschriften wären
für ein Volksbegehren nötig gewesen. Über 150 000 wurden gesammelt.
Der Oberbürgermeister setzte sich an die Spitze der Bewegung. Der Senat sei ja schön dumm, wenn er ein kommunales Unternehmen
verkaufen würde, das Jahr für Jahr die schönsten Gewinne einfahre.
Dieser Heuchler!
Zum ersten Mal, seitdem Crommschröder den Geschäftsbereich Wasser leitet, ist die Kapitalrendite unter 10 Prozent gefallen.
Gnadenlos liefert ihm das Controlling Woche für Woche die neuesten Zahlen.
Und sie fällt weiter.
Er kann sich genau vorstellen, wie Kieslow sich über die Listen beugt und ein besorgtes Gesicht aufsetzt.
Er sieht Landmann in seinem Frankfurter Büroturm, wie er einen giftigen Atemzug an die Fenster schwefelt, der diese sofort
beschlagen lässt.
Vielleicht haben die beiden schon miteinander telefoniert? Vielleicht haben wir uns in Crommschröder getäuscht, wird der eine
gesagt haben. Geben wir ihm noch ein paar Wochen, antwortet der andere.
Lange können wir da nicht mehr zusehen, sagen sie beide. Cochabamba ist gescheitert.
Hamburg ist gescheitert.
Aber das dritte Projekt steht kurz vor dem Abschluss. Wennder Paragraph 103 fällt – das wird die Zahlen wieder nach oben schnellen lassen, denkt Crommschröder.
Er sitzt hinter seinem Schreibtisch.
In seinem Hinterkopf pocht ein kleiner, klarer Schmerz.
Der Magen rebelliert.
Mit dem dritten Projekt wird alles gutgehen. Eine beschissene kleine Gesetzesänderung.
Er ruft den Puderer an. Zum wiederholten Mal. Der beruhigt ihn. Alles gehe nach Plan.
Wenn sie ihn feuern, kann er die Raten für Potsdam nicht mehr bezahlen, die beiden Häuser in Berlin kann er genauso wenig
bedienen. Sein Verhältnis zu den beiden Geliebten wird auffliegen. Heike wird sich scheiden lassen. Sie wird die Kinder mit
sich nehmen. Warum hat er nur mit dem vielen Geld so wenige Rücklagen gebildet?
Er ruft den Personaldirektor an.
»Ich kann Berger nicht mehr sehen. Schmeißen Sie ihn raus.« Der Mann will etwas sagen.
»Wenn er in einer Stunde noch in seinem Büro sitzt, fliegen Sie gleich mit.«
Danach geht es ihm besser.
Am Nachmittag kommt ein Anruf vom Puderer.
»Wir haben ein Problem.«
Herzstillstand.
»Es kann sein, dass das Gesetz scheitert.«
Der Puderer redet und redet. Vorübergehende Probleme. Eine Abgeordnete ... Persönliche Probleme ... Scheint überraschend aus
dem Ruder zu laufen ... Neuer Anlauf ... Keine Sorgen machen ... Doch es gäbe da aber noch eine Option ... Crommschröder müsse
nur sein O. K. geben.
Crommschröder hört zu und versteht nichts.
Er sitzt versteinert hinter seinem Schreibtisch.
Er weiß nicht, wie lange.
Er ist am Ende.
Er geht zum Fenster.
Er sieht das Scheiß-Berlin.
Er sieht das Siegerlächeln von Waldner.
Er will ihn töten.
Er ruft Susan an.
Er legt wieder auf, als sich ihr Anrufbeantworter meldet.
Er ruft Irene an.
Er sagt, dass er am Abend kommen wird.
Er setzt sich wieder und hört nichts, sieht nichts, fühlt nichts.
* * *
Kurz vor acht parkt er seinen Wagen am Kollwitzplatz. Es sind nur wenige Schritte zu seinem Haus. Aus Irenes Wohnung schimmert
sanftes
Weitere Kostenlose Bücher