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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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nach Corley sie kam – kreuzlendenlahm – und stetes voller Gram …« Ein Streifen Spucke vom Mund seines Vaters tanzte im Licht, als er sich umwandte. Wilfrid konnte den vielen Worten kaum folgen oder sie gar verstehen, doch die Freude an der Improvisation, ebenso wie das Grauen, das bei den Gedichten seines Vaters zu empfinden sich fast verbot, packte auch ihn. Er hatte die Tür erreicht und riss sie auf. »Und das, junger Mann«, sagte er, »ist mehr, als ich in den letzten sechs Monaten für mein Buch zu Papier gebracht habe.«
    »Wirklich, Daddy?«, sagte Wilfrid, der an dem Ton seines Vaters nicht zu erkennen vermochte, ob das ein Grund zur Freude oder Verzweiflung war.

3. Teil
    »Vorwärts, Jungs, vorwärts!«

1
    A ls um fünf Uhr alle ihre Sachen zusammenpackten, hatte Miss Cobb, die Sekretärin des Bankdirektors, einen ihrer seltenen Auftritte im Personalraum. »Ach, Mr Bryant«, sagte sie, »Miss Carter ist nicht da. Könnten Sie Mr Keeping heute begleiten?«
    »Oh«, sagte Paul mit Blick zu den anderen. »Ich weiß nicht …« In Gedanken war er schon auf dem Weg nach Hause, in den Hochsommerabend.
    »Ich kann das übernehmen«, bot sich Heather Jones an.
    »Mr Keeping hat ausdrücklich nach Mr Bryant gefragt«, sagte Miss Cobb. »Er möchte die neuen Mitarbeiter kennenlernen.«
    »Wenn das so ist, komme ich selbstverständlich mit«, sagte Paul und wurde rot. Er hatte keine Ahnung, was man eigentlich von ihm verlangte.
    »Ich sage Mr Keeping Bescheid. In fünf Minuten in der Schalterhalle? Herzlichen Dank auch«, sagte Miss Cobb und zog sich mit ihrem bekümmerten, verschreckten Lächeln zurück.
    Nach einer Woche kannte er bereits alle ihre Namen, die ihm noch immer farbig, beinahe physisch vorkamen, einzigartig, weil sie neu waren und man lernen musste, sie auseinan derzuhalten. Heather Jones und Hannah Gearing; Jack Reeves, der Hauptkassierer; Geoff Viner, der zweite Kassierer, ein ziemlicher Hingucker, und Susie Carter, eine gutmütige Quasselstrippe, die heute wegen einer Beerdigung in Newbury freihatte. Ihr leerer Stuhl und die verhüllte Schreibmaschine waren der Grund, warum es im Büro hinter ihm still geblieben war. Er packte die Thermosflasche in die Aktentasche und fragte Heather leise: »Was genau macht Susie eigentlich mit Mr Keeping?«
    Heather schien kurz zu überlegen. »Ach, sie geht einfach mit ihm nach Hause.«
    Hannah, in ihrer eher mütterlichen Art, sagte: »Mr Keeping hat es gerne, wenn ihm jemand Gesellschaft leistet. Sonst begleitet ihn Susie immer, weil sie gleich hinter der Kirche wohnt. Es ist ein netter kleiner Spaziergang, dauert nur fünf Minuten.«
    »Fragen Sie ihn nur nicht: ›Wie geht es Ihnen, Mr Keeping?‹«, sagte June Underwood.
    »Gut«, sagte Paul, dem die ganze Sache suspekt war, als wollte man etwas beschönigen. Nach seinem bisherigen Ein druck war Mr Keeping ein recht kühler und förmlicher Mensch mit einem sarkastischen Zug, allerdings war ihm auch die etwas befremdliche Fürsorglichkeit der Belegschaft ihm gegenüber aufgefallen. Sollte es seinen Kollegen jemals merkwürdig vorgekommen sein, dass ein Mann in den besten Jahren eine Begleitung nach Hause brauchte, so war es heute für sie völlig normal. »Wohnt ein Bankdirektor nicht normalerweise über der Bank?«, sagte er. Er war schon mal im ersten Stock gewesen, das Wohnzimmer der Dienstwohnung war vollgestellt mit Aktenschränken, in den Schlafräumen stapelten sich alte Schreibtische und Gerümpel.
    »Unserer jedenfalls nicht«, sagte Jack Reeves, der sich gerade eine Pfeife angezündet hatte, der kratzige, trockene Rauch war wie ein Zeichen seiner Autorität.
    Geoff Viner, der sein Haar mit einem Kamm und der flachen Hand zu bändigen suchte, sagte: »Sie kennen Mrs Keeping wohl nicht.«
    »Sie kennen sie dafür umso besser, was, Geoffrey!«, sagte June, und ein verhaltenes Lachen machte die Runde.
    »Ich kann Ihnen versichern, dass Mrs Keeping nicht die Absicht hat, über dem Laden hier einzuziehen«, stellte Jack Reeves klar.
    »Die Midland Bank ist doch nicht irgendein Laden«, sagte Heather.
    »Ihre Worte, nicht meine«, sagte Jack.
    »Sie muss schließlich auch an die Jungen denken«, sagte Hannah. »Die brauchen einen richtigen Garten zum Toben.«
    »Wie viele Kinder haben sie denn?«, fragte Paul.
    »Ich habe Jungen gesagt, dabei ist John längst auf dem College, oder?«
    »John, der ältere, besucht die Durham University.« Jack Reeves runzelte wegen seiner größeren Nähe zum

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