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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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selbst vor. Peter lächelte und sagte: »Peter Rowe«, warmherzig und beinahe nachsichtig, als hätte man Kenntnis von dieser erfreulichen Tatsache bei Mrs Sawle durchaus erwarten können. »Ich bin Paul Bryant«, sagte Paul und meinte, damit einen bescheideneren Anspruch geltend zu machen. Sie neigte den Kopf zur Seite – sie war fast taub.
    »Peter … und Paul«, sagte sie mit freundlicher Strenge. Paul gefiel diese Paarung, auch wenn er sich unter den Blicken von Mrs Sawle wie ein Schuljunge vorkam. Er fragte sich, ob die Sawles wohl Kinder hatten. Mrs Sawle hatte etwas Emsiges und Pädagogisches an sich und schien eher die Zuträgerin für die Alltagsgeschichte gewesen zu sein. In seiner Fantasie sah er die beiden unter einer Balkendecke vor sich hin werkeln, im Hintergrund ein Handwebstuhl. Sonst wusste er nichts über Mrs Sawle, nicht, wer sie war, noch was sie früher gemacht hatte. Er fand es merkwürdig, dass sie sich hier praktisch versteckten und zum Essen nicht zum Rest der Familie gesellten. »Sind Sie alte Freunde?«
    »Oh, ja«, sagte Peter. »Wir haben uns vor einer Viertelstunde kennengelernt.«
    »Na ja, eigentlich vor zwei Wochen«, sagte Paul lachend, leicht entrüstet.
    »Ich meine, von Daphne.«
    »Ach so, Entschuldigung – nein, noch nicht«, sagte Peter, »aber ich hoffe doch bald.« Breit grinsend warf er diese läppischen Konversationshappen hin, und in Pauls Bewunderung für ihn mischte sich eine Spur Verlegenheit. »Ich mag sie sehr gerne.« Im selben Moment spürte er, wie Peter sein Knie hart gegen seins drückte und es dort verharrte, als hielte er es für eine Strebe des Tischs. Sein Herz raste, als er sein Knie nur ein paar Zentimeter zur Seite nahm, doch Peter der Bewegung folgte und mit dem Stuhl näher an den Tisch heranrückte, um den Kontakt besser halten zu können. Das Spiel machte ihm großen Spaß, wie sein Lächeln bewies. Die Wärme übertrug sich von einem Knie auf das andere, stieg rasch aufwärts und erzeugte eine herrliche, verwirrende Wirkung. Paul beugte sich jetzt ebenfalls vor und breitete seine Serviette auf dem Schoß aus. Er spürte einen hohlen Schmerz, eine Art angestauten, weggesperrten Hunger in seiner Brust, bis hinab zu den Schenkeln. Seine Hand zitterte. Er trank noch mal einen großen Schluck aus seinem Glas und lächelte dünn, wie in Trance, in freudiger und anerkennender Dankbarkeit für die Gesellschaft und den Anlass.
    »Oh, Daphne … ja, natürlich«, sagte Madeleine Sawle und sah Peter kampfeslustig an, während sie sich neben ihren Mann setzte und den Platz zwischen sich und Paul frei ließ. »Sie sind nicht zufällig beim Theater?«, fragte sie.
    »Manchmal komme ich mir so vor«, antwortete Peter. »Nein, ich bin Lehrer.«
    »Er unterrichtet auf Corley Court, meine Liebe«, sagte George.
    »Ach, herrje«, sagte Mrs Sawle mokant, breitete ihre Serviette aus und sah ihren Mann fragend an, ob er bereit war, mit dem Essen zu beginnen. »Ich war seit vierzig Jahren nicht mehr auf Corley. Für ein Internat eignet es sich wohl besser als für ein privates Wohnhaus, nehme ich an.«
    »Ein scheußlicher Bau«, sagte der Professor.
    »Oh …!«, protestierte Peter humorvoll und errötete leicht, was Sawle jedoch nicht bemerkte.
    »Früher haben wir uns häufiger dort aufgehalten«, sagte Mrs Sawle, »da war Daphne noch mit Dudley verheiratet, wie Sie sicher wissen.«
    »Keine sehr glückliche Zeit«, sagte der Professor in einem verbindlich vertraulichen Ton.
    »Es war keine sehr glückliche Zeit«, sagte Mrs Sawle, »auch keine sehr glückliche Ehe, fürchte ich.« Steif lächelnd schaute sie auf ihren Teller.
    »Ich habe gerade Stokes’ Porträt von Cecil Valance gelesen«, sagte Peter, »den Sie doch gekannt haben müss ten, Sir.«
    »Oh, ja, Cecil habe ich gekannt«, sagte Sawle.
    »Du hast ihn sehr gut gekannt, George«, sagte Mrs Sawle. »Das letzte Mal waren wir auf Corley, um mit Sebastian Stokes zu sprechen, als er das Material für sein Buch zusammenstellte.«
    »Hm, daran kann ich mich nur zu gut erinnern«, sagte der alte Sawle. »Dudley hat uns alle abgefüllt, und wir haben die Nacht durchgetanzt.«
    »Es war am Vorabend des Generalstreiks!«, sagte Mrs Sawle. »Wir haben über nichts anderes gesprochen.«
    »Kennen Sie das Buch?«, sagte Peter, wackelte mit dem Knie und schob nun auch seine Wade gegen Pauls.
    »Nein, leider nicht«, sagte Paul, der sich nur schwer konzentrieren konnte, nicht gleichzeitig auf Gespräch und Essen, die

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