Fremden Kind
vielleicht hätten Sie schon mal davon gehört.«
»Aus jetzt, Jingo! Nein …« Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Also, Two Acres, zwei Morgen, sind ganz schön viel.«
»Nun … ja«, pflichtete Paul ihr bei.
»Wir haben gerade mal einen knappen halben Morgen, und glauben Sie mir, das macht schon eine Menge Arbeit.«
»Ich glaube, früher hatten die Leute einfach …«, sagte Paul.
»Ach ja, früher … Jingo – Jingo! – ungezogener Hund! Entschuldigen Sie … Wer wohnt denn in dem Haus, das Sie suchen?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Paul, womit der intime und wunderliche Charakter seiner Suche offenkundig geworden war – wie befürchtet, wenn er stehen blieb, um jemanden zu fragen. Das war offenbar auch der Frau zu hoch: Sie zuckte zusammen beim Anblick seiner Aktentasche, die ganz sicher den Grund für seine Suche enthielt, nach dem sie aber nicht fragen würde – bestimmt ein Vertreter oder Makler.
»Na dann, viel Glück«, sagte sie, als hätte sie eingesehen, dass sie hier nur ihre Zeit vergeudete. »Versuchen Sie es mal auf der anderen Seite des Hügels!«
Paul folgte ihrem Rat und ging eine schmale Straße hinab, vermutlich ein Privatweg, denn hangabwärts gab es ein Neubaugebiet, und man sah bereits die Dächer der neuen Häuser. Der Weg machte eine Biegung, verlief knapp dreißig Meter entlang eines hohen Sichtschutzzauns aus Lärchenholzlatten, die selbst an so einem kühlen Tag wie heute einen schwachen Teerölgeruch absonderten. Unmittelbar hinter dem Zaun stand ein Haus, von dem nur der lange Dachfirst und zwei hohe Schornsteine zu erkennen waren. An einem Ende des Zauns, mit Kette und Vorhängeschloss versehen, waren zwei Tore, so hoch und aus dem gleichen Material wie der Zaun. Ein schmaler Schlitz zwischen Scharnier und Tor gab jedoch für ein einzelnes Auge den Blick auf eine unkrautübersäte Kiesfläche und ein Erdgeschossfenster frei, zum Greifen nah. Die dichte Leylandii-Hecke dahinter, noch viel höher als der Zaun, verlief in einem schrägen Winkel bis vor zu der schmalen Straße, schnitt knapp eine Ecke des Hauses und schirmte es von einer kleinen asphaltierten Zufahrt ab, vor der ein großes Bauschild stand, die impressionistisch anmutende Skizze eines weiteren Hauses mit rotem Dach, darunter die Worte: »Old Acres – Sechs Exklusivwohnungen. Noch zwei frei.«
Die Bedeutungsverschiebung im Namen hatte etwas Traum artiges und bei genauerer Betrachtung eigentlich Unsinniges. Aber wahrscheinlich hätte der ursprüngliche Name Two Acres den »Exklusivbewohnern« nur vor Augen geführt, wie winzig ihre Behausungen waren; Old Acres dagegen verlieh den noch im Rohbau befindlichen Wohnanlagen, die in verschiedenen Winkeln kunstvoll versetzt zwischen die Bäume, vermutlich Überlebende aus dem Garten der Sawles, gebaut worden waren, die gewünschte Atmosphäre. Für diejenigen, die es von früher kannten, war wenigstens ein Anklang an die alte Ordnung erhalten geblieben. Doch er sah bereits, dass der »luftige lauschige Garten« verschwunden war, und auch das Haus an sich – für Paul stand fest, dass es das richtige war – schien sich gegen Blicke von außen zu wehren. Er holte den Fotoapparat aus der Aktentasche, überquerte den Weg und machte ein Bild von dem Zaun.
Es reichte noch nicht. Er ging zurück bis dahin, wo der Weg eine Biegung machte, und sah sich interessiert den Zugang zum Nachbarhaus von Two Acres an – Cosgroves – eine Einfahrt, die sich nach einer Kurve hinter Rhododendronbüschen verlor; das Haus selbst war zu weit entfernt, als dass man sein Tor im Auge hätte behalten können. Er schlenderte in die Einfahrt, mit einem milden Lächeln, der sanften Hartnäckigkeit des Unbefugten, den nur die weit hergeholte Ausrede schützte, er habe sich verirrt. Seine Bewegungen wirkten fast ferngesteuert, obwohl alle seine Sinne hellwach waren. Rechts öffnete sich eine weite Rasenfläche, der Wind blies das Laub zu kleinen Dämmen und Spiralen zusammen. Ein Teakholzstuhl, ein Steintisch. Eine Pflanze, eingewickelt in einen blauen Sack, den er im ersten Moment für eine sich bückende Gestalt hielt. Links von ihm bildeten dichtes Strauchwerk und eine Phalanx ausladender, altersschwacher Tannen, die auf eine windschiefe Garage aus Holz und einen kleinen, teerpappebedeckten Gartenschuppen mit spinnwebenverhangenen Fenstern drückten, die Grenze zu Two Acres. Von irgendwo draußen vernahm er die Stimme einer Frau, aber nicht, was sie sagte, ein Monolog, als würde sie
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