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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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etwas Romantisches oder gar Gemütliches gehabt hatte. Als er wieder zurücktrat vom Fenster und durch das Gras stromerte, um noch ein paar Fotos zu machen, erschien ihm das Haus doch eher wie ein Klotz. Jetzt sah er auch, dass ein Gebäudeteil abgerissen worden war; an der Backsteinwand war eine große schwarze Pfeilspitze zu sehen, wo sich mal ein Giebel angelehnt haben musste. Die Wand war durchbrochen und ein Badezimmerfenster eingesetzt worden, das völlig aus der Reihe tanzte. Mit der nötigen Rigorosität konnte man noch jeden Ort seiner Romantik berauben, sogar der Romantik des Verfalls. Er war mit der Vorstellung hergekommen, alles so vorzufinden wie 1913 – natürlich verwachsener mit der Umgebung, behutsam modernisiert, den Bedürfnissen der Zeit geschmackvoll angepasst; der Steingarten wäre aber noch erhalten, aus dem »glitzernden Gehölz« ein herrlicher Wald erwachsen, und in der Rinde der Bäume, an denen die Hängematte befestigt war, noch die Einschnitte der Seile zu erkennen. Im Laufe der Jahre wären andere einfallsreiche Leute gekommen, um es sich anzusehen, doch das Haus selbst hätte sich milde stirnrunzelnd seine Selbstachtung bewahrt sowie ein gewisses, nicht unfreundliches Bewusstsein, dass es bewundert wird. Es hätte seinem Ruhm alle Ehre gemacht. Aber eigentlich gab es nichts mehr zu sehen. Die Fenster im ersten Stock schienen verständnislos über die Wolkenspiegelungen zu sinnieren.

3
    C ecil Valances frühestes überliefertes Werk war ein kurzer Aufsatz, im Alter von sechs Jahren für seine Mutter verfasst und wortgetreu nachgedruckt in der von Sebastian Stokes verfassten Kurzbiografie, die den Gesammelten Gedichten von 1926 als Vorwort vorangestellt war.
    VII April MCCM LXXX XCVII
    Alles über mich
    Mein Name ist CECIL TEUCER VALANCE . Teucer war ein Berühmter Soldat er war ein Grohßer Bogenschütze und Cecil war übrigens ein Berühmter Lord. Mein Vater heißt Sir Edwin Valance (2. Bt) und meine gütiche Mutter ist allen als Lady Valance bekannt. Sie hat ein wunderschö nes rotes Kleid das Lady Adleen ganz neidisch gemacht hat. Falls Sie es nicht wissen mein Haus heißt Corley Court in Berkshire. Es ist eins von den Grohßen Häusern in der Grafschaft. Ach so, wenn Sie da noch einen kleinen Jungen treffen der sich Dudley Valance nennt dann ist das wahrscheinlich mein kleiner Bruder. Ich sollte Ihnen lieber gleich sagen dass er sehr schwierig sein kann. Montag habe ich auf der Farm IX neue Gelbchen gesehen – die sind so sühß auf ihren wack lichten Beinen. Heute warn wir alle sehr bestürzt als wir die Nachricht bekamen dass Lord PORTSCATHO bei einer Explosin getötet wurde er war erst XXXX XLIIV. Mein armer Vater hat fast geweint bei der Traurigen Nachricht. Ich hatte ein ziemlich schlimmen Husten, aber jetzt wieder einigermaßen erholt. Heute habe ich gelesen »Wie Regen gemacht wird« in der »Enzüklopädie für Haus und Heim« und eine stattliche Anzahl Gedichte für mein Alter, wie Nanny immer sagt darunter »Der Bach« von LORD TENNYSON , Ich habe Beschlossen alle IX Strophen zu lernen, es ist natürlich eines der bekanntesten Gedichte. Ich habe vergessen zu sagen dass ich selbst so was wie ein Dichter bin, dieses Jahr habe ich schon VII Gedichte geschrieben, meiner Mutter (Lady Valance) in »Dankbarkeit gewidmet«.
    Was dieselbe Lady Valance für die neuesten Nachrichten von Cecil hielt, darüber hatte sich Dudley Valance in seiner Autobiografie Schwarze Blumen (1944) ausgelassen:
    Meine Mutter, die niemals Zeit vergeudete – außer der anderer Leute –, widmete sich gleichwohl ausgiebig ihren Versuchen, mit der Geisterwelt zu konferieren. Ihr Glaube, man könne Kontakt mit Cecil aufnehmen und mit ihm sprechen, erfüllte sie mit dem Grimm und der Entschlossenheit einer hoffnungslosen Liebesaffäre. In ihren persönlichen Gefühlen sonst ausgesprochen reserviert, offenbarte sie ihr zärtliches Verlangen nach Kontakt mit der »anderen Seite« gegenüber ihrer Familie und einigen Freunden überraschend freimütig. Diese in ihrer Pflicht und ihrem Leid als Mutter eines gefallenen Kriegshelden begründeten Emotionen brachten sie vermutlich nicht so schnell in Verlegenheit. In der Bibliothek von Corley Court unternahm sie zahllose, langwierige und komplizierte »Buchtests«, die auf einem System beruhten, das ihr ein Priester aus Croydon beigebracht hatte. Sie geschahen unter Mitwirkung einer gewissen Mrs Leland Aubrey, eines seinerzeit berühmt-berüchtigten Mediums, die

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