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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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ich glaube, da gibt es doch sicher noch viel mehr zu sagen!«
    »Ah, ja.« Wieder schien sie sowohl geschmeichelt als auch skeptisch.
    »Wann würde es Ihnen passen? Lieber morgens oder nachmittags?«
    »Hm?« Sie wollte sich auf keine Zeit festlegen, eigentlich auf überhaupt nichts. »Wer war noch mal der ausgesprochen nette junge Mann auf der Party – ich nehme an, Sie kennen ihn. Ich kann mir einfach keine Namen merken. Der hat mich nach Cecil gefragt.« Es sah so aus, als hätte sie eine diebische Freude daran.
    »Ich hoffe, dass er nicht auch über ihn schreibt.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    »Oje …!« Paul geriet aus der Fassung, doch schaffte es, ruhig hinzuzufügen: »Seit Ihr Buch erschienen ist, hat das Interesse an seiner Person sicher stark zugenommen.«
    Sie zog einmal kräftig an ihrer Zigarette und ließ den Rauch in einer trägen Fahne vor ihrem Gesicht aufsteigen. »Es ist der Krieg, der spielt natürlich auch eine Rolle. Vom Ersten Weltkrieg können die Leute nicht genug bekommen.«
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte Paul, als fände er das ebenfalls übertrieben. In Wahrheit baute er darauf.
    Im zuckenden Wechsel von Licht und Schatten musterte sie ihn beinahe geringschätzig. »Ich glaube, jetzt erinnere ich mich an Sie«, sagte sie. »Spielen Sie nicht Klavier?«
    »Ah!«, sagte Paul. »Ja, ich weiß, woran Sie denken.«
    »Sie haben mit meiner Tochter vierhändig gespielt.«
    Ihm gefielen die fremden Federn, aber es war ihm auch unangenehm, mit Peter verwechselt zu werden. »Das war ein sehr vergnüglicher Abend«, sagte er bescheiden.
    »Ja, nicht?«
    »Das war in vielerlei Hinsicht eine schöne Zeit, in Foxleigh.« Er verklärte den Ort und die Jahre dort, als lägen sie unendlich weit zurück. »Immerhin habe ich damals Ihre Familie kennengelernt!« Sie musste die Schmeichelei dahinter erkennen. Er hätte sie gern nach Julian gefragt, auch nach Jenny, doch jede Frage wäre überschattet gewesen von der viel größeren Frage nach Corinna und Leslie Keeping. Durfte man darüber sprechen, oder war es vermessen und aufdring lich? Seine Anstrengung, das Gespräch in Gang zu halten, erlahmte für eine Minute.
    »Ah! Da wären wir …!«, sagte sie, als das Auto in die Taxi zufahrt des Bahnhofs einbog. Er sah, dass der Moment der Flucht für sie auch ein Moment der Verpflichtung war. An der Haltestelle sprang er aus dem Auto und stellte sich, Schirm am Unterarm eingehängt, mit gezücktem Portemonnaie neben die Fahrertür. Er fuhr höchstens ein-, zweimal im Jahr Taxi, aber gab dem Fahrer so jovial und zerstreut Trinkgeld, wie er es bei jungen Männern in der City beobachtet hatte. Mrs Jacobs war auf der anderen Seite ausgestiegen und wartete damenhaft, bis das Geschäft erledigt war. Mit einem zufriedenen, aber devoten Lächeln wandte er sich ihr zu.
    »Geben Sie mir doch einfach Ihre Adresse, dann schreibe ich Ihnen.«
    »Ja, gut«, sagte sie leise, als hätte sie es sich anders überlegt.
    »Und dann sehen wir weiter …!« Er holte einen Block aus seiner Aktentasche und reichte ihn ihr, sah diskret zur Seite, als sie ihre Adresse notierte. »Herzlichen Dank«, sagte er, noch immer geschäftsmäßig.
    »Ich habe Ihnen zu danken, dass Sie mich gerettet haben.«
    Er sah sie eindringlich an, ihre kompakte, leicht gebeugte und schäbige Gestalt, die muntere Brille unter dem traurigen roten Hut, die untergeklemmte Handtasche, und schüttelte den Kopf, wie über die unerwartete Begegnung mit einem ergebenen alten Freund. »Ich kann es immer noch nicht fassen!«, sagte er.
    »Na ja, so ist das eben.« Sie gab sich alle Mühe.
    »Also dann, auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen.« Sie reichten sich die Hand. Sie würde den Zug – wohin? – nach Worcester vom nächsten Bahnsteig nehmen. Er hatte ihre Adresse noch nicht gelesen. Sie wandte sich ab, machte einige entschlossene Schritte, blickte sich noch einmal zögernd um, mit einer leicht verschwörerischen Miene, die ihn sofort für sie einnahm.
    »Wie war noch mal Ihr Name?«
    »Oh! Paul Bryant … «
    Sie nickte und ballte die Faust in der Luft, als wollte sie einen Nachtfalter fangen. »Au revoir.«

2
    L ieber Georgie«, las Paul. »Heute ließ sich der General beim Luncheon zu der Bemerkung hinreißen, Dein Besuch hier auf Corley Court sei halbwegs ruhig verlaufen, und er fügte nach einigem Nachbohren hinzu, wenigstens seiest Du ›so gut wie in kein Fettnäpfchen getreten‹. Dieses so gut wie sollte Dir zu denken geben: Mehr ließ

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