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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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er ihr sein Selbstbewusstsein überstülpen. Sein Pfeifen klang reizvoll und erhaben, doch legte er so viel Vibrato hinein, dass das Lied wie eine Parodie klang, und bald konnte er auch die Lippen nicht mehr gespitzt halten, und das Pfeifen ging über in ein prustendes Blasen.
    »Ha«, murmelte Cecil, der unangenehm berührt schien, aufstand und sein Notizbuch in die Jackentasche steckte. »Nein, ich kann leider nicht pfeifen«, gestand er unterkühlt, aber freundlich.
    »Kein Wunder, bei Ihren tauben Ohren!«, sagte Daphne.
    »Ich bringe nur eben das kostbare Büchlein auf mein Zimmer«, sagte er, Daphnes Album hochhaltend. Sie sahen ihm hinterher, wie er den Rasen überquerte und durch die Terrassentür ins Haus schlüpfte.
    »Na, worüber hast du dich mit Cess unterhalten?«, sagte George und sah wieder komisch grinsend auf sie hinunter.
    Neckisch zupfte sie an den Grashalmen, um die Antwort hinauszuzögern. Ihr erster, erstaunlich starker Gedanke war, dass ihre eigene Beziehung zu Cecil, die sich unabhängig von der zwischen Cecil und George, wenn auch nicht zu ihrer gänzlichen Zufriedenheit, entwickelte, so geheim wie möglich gehalten werden musste. Diese Beziehung sollte von Vernunft und Spott verschont bleiben. »Wir haben uns natürlich über dich unterhalten«, sagte sie.
    »Oh«, sagte George, »das muss ja spannend gewesen sein.«
    Daphne schnaubte leise. »Wenn du es unbedingt wissen willst: Cecil hat mich gefragt, ob du eine spezielle Freundin hast.«
    »Oh«, entfuhr es George, scheinbar unbekümmert, »und was hast du geantwortet?« Er war rot geworden, und er wandte sich ab, um es zu verbergen, vergeblich. Sein Blick schwenkte hinüber zum Garten, als wäre ihm dort etwas aufgefallen. Es kam unerwartet, und selbst Daphne mit ihrer schwesterlichen Intuition brauchte einen Moment, um zu begreifen. Dann rief sie: »Oh, George, du hast eine!«
    »Was? Unsinn!«, sagte George. »Sei still!«
    »Du hast eine, du hast eine!«, sagte Daphne und spürte sogleich, wie die Freude über die Entdeckung getrübt wurde durch das Gefühl, alleingelassen zu werden.

8
    S obald die Gentlemen nach draußen entschwunden waren, stapfte Jonah die Treppe hinauf und war fast oben angelangt, da bemerkte er, dass er Mr Cecils Schuhe vergessen hatte. Er machte kehrt, doch im selben Moment hörte er unten in der Halle Stimmen. Die Herren mussten erst noch kurz ins Arbeitszimmer gegangen sein, rechts neben der Haus tür, und jetzt nahmen sie ihre Hüte vom Garderobenständer. Jonah wartete ab, versteckte sich nicht, aber blieb im Schatten auf dem Treppenpodest stehen.
    »Ist das deiner?«, fragte Cecil.
    »Ach, du Aas«, sagte George. »Jetzt komm schon, raus hier. Ich nehme das hier mit, nur für den Fall.«
    »Gute Idee. Wie sehe ich aus?«
    »Zur Abwechslung mal ganz manierlich. Jonah muss ja gut für dich sorgen.«
    »Oh, Jonah ist ein Traum«, schwärmte Cecil. »Habe ich dir schon gesagt, dass ich ihn mit nach Corley nehme.«
    »Nein. Bitte nicht!« Es kam zu einem kleinen Gerangel, wie Jonah hörte, Kichern und Keuchen, Flüstern, »Au!« … »Ich bitte dich, Cecil!«, dann wurde die Haustür geöffnet. Jonah stieg drei Stufen hinauf und schaute aus dem kleinen Fenster im Treppenhaus. Cecil schwang sich über das Gartentörchen, George überlegte erst noch, dann öffnete er es und schritt hindurch. Cecil war bereits auf der Landstraße, ihm einige Schritte voraus.
    Jonah wartete noch eine Minute ab, sah über die letzten drei Stufen und den Absatz hinweg zur Tür des Gästezimmers. Jonah ist ein Traum – wie die nur miteinander redeten! …, aber es konnte nur bedeuten, dass er alles richtig machte, zweckmäßig, wie Mr George gesagt hatte. Mrs Sawle würde es niemals zulassen, dass Cecil ihn einfach so mitnahm, und von sich aus würde er das Haus auf keinen Fall verlassen. In Harrow war er schon gewesen, mehr als einmal, auch in Edgware, und einmal sogar im Alexandra Palace, um die Orgel zu hören. Er stieg die restlichen Stufen hinauf. Auf dem Flur mit der Eichentäfelung und dem dicken türkischen Teppich war es dunkel, doch die Zimmer waren lichtdurchflutet und die Türen standen sperrangelweit offen, um die Räume zu lüften. Veronica, das Hausmädchen, rumorte in Mr Huberts Zimmer, er hörte sie stöhnen beim Ausschütteln und Ausklopfen der Kissen; sie führte Selbstgespräche, in einem angenehmen, geschäftsmäßigen Nuscheln. »So, das hätten wir«, »Hoch mit dir«, »Vielen Dank auch«. Jonah meinte,

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