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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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viel in Hamburg unterwegs«, erklärte er, »und da sehe ich es mit eigenen Augen.« Freda behagte die Vorstellung eines »deutschen Krieges« ganz und gar nicht, und sie hatte wenig übrig für Harrys dieses Unheil heraufbeschwörende Worte. Cecil wäre am liebsten gleich in den Kampf gezogen, diese Gelegenheit wolle er sich nicht entgehen lassen, sagte er. Dagegen war Georges Unschlüssigkeit geradezu rührend und auch komisch. Niemand hatte eine größere Abneigung gegen alles Kriegerische als er, doch widerstrebte es ihm sichtlich, Cecil zu enttäu schen. »Wahrscheinlich würde ich mitmachen«, sagte er. »Wenn es hart auf hart käme.«
    »Natürlich. Keine Frage, altes Haus«, sagte Cecil und gewährte allen Anwesenden mit einer leichten Wendung des Kopfes den Anblick seines Profils. Welche Freude ihm das Töten bereitete, hatte er sie bereits wissen lassen, und Deutsche wären doch eine furiose Steigerung gegenüber Füchsen, Fasanen und Enten. Freda war froh, dass Clara heute Abend nicht da war; ihr Bruder, anscheinend ihr einziger Verwandter, diente in der kaiserlichen Armee, obwohl, Gott sei Dank, nur in klerikaler Funktion.
    »Ich möchte eigentlich nicht, dass meine Jungen in Stücke zerhackt werden«, sagte Freda in einem eher spaßigen Ton, doch das Bild rüttelte alle auf. Die Gesichter der Jungen glänzten im Kerzenschein, und Huey, nachdem er sich mit einer Serviette über den Bart gewischt hatte, sagte ernst, aber freundlich: »Wollen wir hoffen, dass es nicht dazu kommt, Mutter.«
    »Ach, ich glaube, so eine kleine Keilerei täte unseren Jungs ganz gut«, sagte Elspeth.
    »Ja, meine Liebe«, sagte Freda, »Sie haben auch keine Jungs, die Sie für die Keilerei hergeben müssten.« Elspeth war Harrys unverheiratete Schwester, und jeder fragte sich, was aus ihr werden würde, sollte Harry jemals heiraten. Schon so lange führte sie ihm den Haushalt, dass man sie sich in eigenen vier Wänden kaum vorstellen konnte. Doch irgendwo musste sie dann ja hin. Andererseits: Harry heiraten? Schon wie das klang. Absurd.
    Zum Nachtisch gab es eine Macédoine von Früchten, die Äpfel stammten aus dem eigenen Garten. Cecil, zu Fredas Rechter, aß schnell und scheinbar lustlos, ja sogar mit einigermaßen verdrießlicher Miene. Für die Gastgeberin eine Ent täuschung, oder war es möglicherweise ein Zeichen guter Kinderstube, sich mit Essen nicht weiter aufzuhalten? Mit etwas, was Diener vor einen hinstellten und was einen, wenn auch nur vorübergehend, vom Reden über wichtigere Dinge abhielt? George saß heute Abend neben Cecil und bildete eine Einheit mit ihm. Gelegentlich legte er eine Hand auf seinen Arm und raunte ihm unter dem Lärm der Tischgespräche etwas zu, doch Cecil wandte sich bei seinen Redebeiträgen mit Vorliebe an die ganze Tischgesellschaft. Auch er war mal in Deutschland gewesen und steuerte eine erdrückende Menge an Information über die militärische und industrielle Seite des Landes bei, vieles davon anscheinend unübersetzbar. Freda, deren Deutschkenntnisse sich auf heroische Ausdrücke der Liebe, Treue und Rache beschränkten und wie man einen Brandy und Wasser bestellte, wurde recht bald schwermütig und kam sich irgendwie abserviert vor. Ihr Deutschland war frenetisch, förmlich, wenn auch nicht sehr planvoll, ein wirres Gefüge, durchdrungen von der Liebe zur Völsunga sage, zu Waldesrauschen und Wotans Abschied und Feuerzauber, den innigsten zehn Minuten in den zehn Jahren ihrer Witwenschaft. Bei der Erinnerung daran lief ihr ein Schauer über den Rücken, und ihre Unterlippe bebte.
    Die Sitzanordnung war ungünstig. Den beiden Jungen ge genüber saß Daphne, flankiert und wie eingezwängt von Harry und Elspeth und immer nur dann zu neuem Leben er wachend, wenn Cecil ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Hubert, sonst durch Harry zum Strahlen, gelegentlich gar zum Funkeln gebracht – Harry war unter Fredas Freunden derjenige, der sich am meisten mit ihm abgab –, wirkte heute Abend wie in Gedanken versunken. War er am Ende gar eifersüchtig auf Cecil, den Harry offenkundig faszinierte? Harry, der fast alle Neuerscheinungen kannte, löcherte ihn mit Fragen zu diversen Cambridge-Größen. »Rupert Brooke kennen Sie wohl nicht zufällig, oder?«, fragte er.
    »Ach, Rupert Brooke«, sagte Freda. »Was für ein Adonis!«
    Cecil rümpfte die Nase, als handelte es sich um ein grundlegendes Missverständnis. »Brooke, ja, den kenne ich«, sagte er. »Früher haben wir ihn öfter im College

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