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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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den Rasen, bevor sie sich neben Cecils Stuhl niederließ. »Ich glaube nicht, dass George Ihnen die ganzen Two Acres gezeigt hat.«
    »Kann schon sein«, sagte Cecil auflachend.
    Ermunternd betrachtete Daphne die Aussicht: den getrimmten, verdorrten Rasen, den kleinen Hügel des Steingartens und das Spalier dunkler Tannen, hinter der sich der Gartenschuppen und die Garage der Cosgroves verbargen. Die »Zwei« in dem Namen ihres Hauses hatte für sie immer etwas Beruhigendes gehabt; eine stumme, emphatische Prahlerei gegenüber Schulfreundinnen, die in einem Stadt- oder Reihenhaus wohnten, der Beweis einer generösen Überversorgung. In Cecils Gegenwart schimmerte zum ersten Mal eine Verunsicherung auf. Gerne hätte sie ihn dazu gebracht, ihre Sicht der Dinge zu teilen, als sie jetzt nebeneinandersaßen, doch musste sie sich fragen, ob sie nicht längst die seine teilte. »Der Steingarten ist das Werk meines Vaters«, sagte sie.
    »Er muss ganz schön viel Arbeit da reingesteckt haben«, sagte Cecil.
    »Ja, er hat hart dafür geschuftet. Die großen schweren Steine mussten alle aus Devon hergeschafft werden. Das hat natürlich er allein gemacht!«
    »Sie werden zukünftige Geologen vor ein Rätsel stellen«, sagte Cecil.
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »So wie uns heute die Steine von Stonehenge.«
    »Hm«, sagte Daphne, die Spott witterte, wo sie Freundlicheres erwartet hatte. »Mein Vater war nicht so künstlerisch veranlagt wie meine Mutter«, schob sie erklärend nach, »aber bei dem Steingarten hat sie ihm freie Hand gelassen. Damit hat er sich ein Denkmal gesetzt.«
    Cecil blickte geläutert zum Steingarten. »Sie werden sich an Ihren Vater wohl kaum erinnern, oder?«, fragte er. »Dazu waren Sie noch zu jung.«
    »Oh, ich erinnere mich gut an ihn.« Sie blickte nickend zu ihm auf. »Wenn er von der Arbeit nach Hause kam, hat er sich einen Old Smuggler eingegossen und sich zu mir gesetzt, während ich in der Badewanne lag.«
    »Er hat im Badezimmer Whisky getrunken?«
    »Ja, und er hat mir Geschichten erzählt. Natürlich hat unser Kindermädchen mich gebadet. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass wir damals mehr Geld hatten als heute.«
    Cecil gönnte ihr nur das flüchtige Schulterzucken einer rein abstrakten Form von Mitgefühl, das ihr vorher schon mal an ihm aufgefallen war, wenn es um Geld und Dienstpersonal ging. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater jemals so etwas tun würde.«
    »Ihr Vater geht ja auch nicht arbeiten, oder?«
    »Das stimmt«, sagte Cecil und kicherte anziehend.
    »Huey dagegen arbeitet wirklich hart. Meine Mutter meint, einer von uns sollte heiraten.«
    »Sie werden bestimmt eines Tages heiraten, da habe ich kei nen Zweifel«, sagte Cecil, fixierte sie mit seinen dunklen Augen und lupfte, belustigt und wie zur Betonung, eine Braue. Ihr Herz pochte, und sie fuhr fort.
    »Irgendwann. Wir werden sehen. Ich nehme an, dass wir alle mal heiraten.« Sie wollte ihm sagen, dass sie gestern Abend zufällig ihre Unterhaltung aufgeschnappt hatte und dass sie sich irrten, er und George. Hubert sei überhaupt kein Schürzenjäger, im Gegenteil, er sei wirklich äußerst anständig. Nur schreckte sie vor diesem Thema zurück, das ihr fremd war, und sie fürchtete, sie könnte etwas missverstanden haben.
    »George hat wohl keine spezielle Freundin, oder?«, sagte Cecil nach einem Moment.
    »Wir hatten gehofft, Sie wüssten mehr«, sagte sie und bedauerte es gleich. Es war ein Hinweis, dass sie über ihn gesprochen hatten. Allerdings forderte Cecil es auch heraus, dass man über ihn redete. Sie riss ein paar Grashalme aus und sah ihn an, seine Anwesenheit war noch immer neu und interessant für sie. Er veränderte seine Sitzhaltung, schlug die Beine übereinander, rechter Knöchel auf linkes Knie, sodass ein Stück braun gebrannte Wade zum Vorschein kam. Er trug weiße Leinenschuhe, deren Absätze verkratzt waren. Es würde Spaß machen, sich mit ihm über George auszutauschen, hinter seinem Rücken. »Als er Briefe bekam, dachten wir erst, er habe jemanden, aber die waren ja von Ihnen!«
    Cecil schaute erfreut, aber auch verlegen und sah über die Schulter zum Haus. »Und Ihre Mutter? Was meinen Sie?«, sagte er, auf einmal sehr gefühlvoll. »Sie ist immer noch jung und wirklich äußerst attraktiv. Vielleicht hat sie ja selbst vor, noch mal zu heiraten. Sie muss viele Bewunderer haben.«
    »Ach, ich glaube nicht!« Daphne zog die Stirn kraus und wurde rot. Sich über Georges Chancen zu unterhalten

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