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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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›Bei Spritzern oder Flecken, Veronica, sei so nett und bezieh die Betten der Jungen neu.‹ Tja, mein Lieber, das ist leider ein Naturgesetz.«
    Jonah machte sich rasch zu schaffen, hob Kleidungsstücke auf und faltete sie zusammen, unschlüssig, ob die getragenen zurück in den Schrank gelegt oder diskret verborgen werden sollten, bis Cecil abreiste und sie wieder eingepackt werden konnten; Veronica konnte er unmöglich fragen, solange ihm ihr aufwühlender kleiner Vortrag noch in den Ohren brannte. Hier das abgelegte Frackhemd von gestern Abend, ein grauer Schmierstreifen quer über der gestärkten Brust, wahrscheinlich Asche, dort die eleganten Unterhemden und Unterhosen, fein wie Damenbekleidung, jetzt achtlos befleckt, an Stellen, die er erst später, wenn er allein war, genauer untersuchen würde. Er trug die Waschschüssel aus dem Zimmer und schüttete den Inhalt vorsichtig in die Toilette. Tausende winziger Borsten klebten noch am seifigen Schmutzrand, und er betrachtete sie, wie alles von Cecil, mit einer Mischung aus Furcht und Stolz.
    Später begab er sich nach draußen zum Plumpsklo, und im fahlen Licht, das durch die Milchglasscheibe in der Tür fiel, kramte er die Schnipsel aus seiner Tasche, drehte und wendete sie und las die durchgestrichenen Wörter darauf. Es war ihm durchaus bewusst, dass er sich hier »eitler Neugier« hin gab, etwas, was die Köchin streng verurteilte. Der satte kollek tive Gestank unter ihm, durch Kohleasche aus der Küche gemildert, ließ sein Verhalten noch niederträchtiger erscheinen. Er wusste nicht einmal genau zu sagen, warum er das eigentlich machte. Die Gespräche der Gentlemen waren anders als normale Gespräche, und auch George verhielt sich anders, jetzt, da sein Freund da war. »Die Hängematte im Schatten«, entzifferte Jonah. »Zu Häupten eine Lärche, zu Füßen eine Salweide.« Nur langsam ließ sich eine Verbindung herstellen zu Dingen, die er kannte, und beim Weiterlesen dämmerte ihm die beklemmende Erkenntnis: Mr Cecil schrieb über ihre Hängematte, die Jonah zu Beginn des Sommers mit Mr Hubert im Garten aufgehängt hatte. Was gab es darüber schon zu sagen? »Zu Füßen einer Birke, und eine Weide neigt sich trauernd hin« – offenbar konnte er sich nicht entscheiden. An den Rand hatte er gekritzelt: »Wie Weiden voll Nissen, sind voll Wanzen die Kissen!« – doch das war mit einer geschlängelten Linie durchgestrichen. Die dumpfe Sorge, es könne hier etwas Unerhörtes gesagt werden, die Bettwäsche, Mrs Sawles feinste Daunenkissen, seien von Wanzen befallen, stieg für einen Moment in ihm hoch und schwand im selben schon wieder. Es fiel ihm ein, dass es sich ja um ein Gedicht handelte – aber besagte dieser Umstand nun, dass es eher der Wahrheit entsprach oder eher nicht? Ein anderer Zettel war in zwei Hälften zerrissen; er hielt die beiden Stücke aneinander und fragte sich, ob wohl Wilkes so etwas jemals machte, wenn er den Papierkorb seines Herrn leerte.
    Im dichten singenden Gehölze rund
    Um zwei gesegnete Morgen von englischem Grund,
    Wo, wandernd schweifend an seiner äußersten Ecke
    Unter dunkler Zypresse Myrte Ligusterhecke
    Von Haselnüssen überhangen
    Wir gehen, auf geheimen langen dunklen wilddunklem Pfad der Liebe gefangen,
    Deren Geheimnis stets verborgen sei
    Zwischen der Sonne Untergang der Dohle Ruf und
    Des Sonnenherolds Schrei.
    Liebe, so blühend wie der Frühling
    Und heimlich wie – XXX (irgendein Ding !)
    So herzlich, so kraftvoll, so kühn und so treu,
    Doch von sich selbst zu sprechen scheu –
    Hier folgten weitere Streichungen, dicht hintereinander, als sollten nicht nur Cecils Worte, sondern auch seine Gedanken getilgt werden. Jonah vernahm das typische Scharren der Spülküchentür, anschließend Schritte auf dem Pflasterweg, und kurz darauf nahm ihm der Rumpf einer massigen Person draußen – die Köchin oder Miss Mustow – das Licht. Schon klapperte der Riegel, »Moment!«, rief Jonah, und seine Hand zitterte, als er die Schnipsel hastig zusammenknüllte, kurz überlegte, ob er sie ins Klo werfen sollte, sich dann aber eines Besseren besann und sie in die Hosentasche steckte.

9
    F reda hob ihr Glas und blickte mit dem offenherzigen Lächeln eines Gastes, der das Tischgespräch nicht aufmerk sam verfolgt hatte, in die Runde. Wieder mal ging es um Deutschland, und Harry sagte gerade, mit jedem Tag rücke der deutsche Krieg näher, ein Lieblingsspruch von ihm, der sie zunehmend irritierte. »Ich bin geschäftlich

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