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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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getroffen, aber jetzt natürlich nicht mehr so häufig.«
    »Meine Mutter hält Ruperts Werk für zukunftsweisend«, sagte George.
    »Tatsächlich, meine Liebe?«, fragte Elspeth konsterniert.
    Freda hielt es für angebracht, nicht zu protestieren, als Mut ter hatte man von Zeit zu Zeit die Dumme zu spielen. »Dass er bei der Überfahrt seekrank geworden ist, hat mich allerdings nicht gerade sonderlich interessiert, ehrlich gesagt.«
    »›Das letzte Mahl bricht sich in braunen Brocken Bahn!‹«, zitierte Daphne.
    »Herzlichen Dank auch, Kindchen. Sagte ich nicht, es interessiert mich nicht?« Die Zeile gehörte zu den familieninternen stehenden Redewendungen, einem Repertoire pueriler Reizwörter, bei denen sich die Sawles ausschütten konnten vor Lachen, die aber nicht für die Allgemeinheit bestimmt waren. Freda wies ihre Tochter mit einem finsteren Blick zurecht, musste sich aber selbst ein feixendes Grinsen verkneifen. Cecil sollte keinen schlechten Eindruck von ihnen bekommen.
    »Ich bin kein Fachmann für Dichtung«, stellte Hubert so treuherzig wie unnötig fest, offenbar bereit, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
    »Ich bin mit englischer Dichtung noch viel weniger vertraut«, sagte Elspeth.
    »Stracheys Sachen im Spectator haben mir immer gefallen«, sagte Harry, »den werden Sie doch wohl kennen.«
    War das wieder eine Anspielung auf diesen Club der Jun gen, diese schrecklich wichtige »Conversazione Society«, deren Namen man nicht einmal aussprechen durfte? »Ja, Lytton sehen wir gelegentlich«, sagte Cecil mit diskreter Miene.
    »Also der ist nun wirklich ein kluger Kopf«, sagte Elspeth.
    »Wer ist das, meine Liebe?«, fragte Freda.
    »Lytton Strachey. Seine Französischen Paradiese haben Sie sicher schon mal irgendwo gesehen.«
    »Oh … Ich …«
    »Harry hält nicht ganz so viel von dem Buch wie ich.«
    »Fakten statt heißer Luft wären mir lieber«, sagte Harry.
    »Wir glauben alle fest, dass Lytton eines Tages etwas Brillantes zuwege bringen wird«, sagte Cecil großspurig.
    »Ich habe nichts für ihn übrig«, sagte George.
    »Aber warum denn nicht?«, erkundigte sich Freda mokant, obgleich sie bis vor einer Minute noch nie von diesem Strachey gehört hatte.
    »Ach, ich weiß auch nicht«, murmelte George, wurde rot und blickte mit einem Mal verdrießlich.
    »Man muss leider sagen«, erklärte Cecil, »dass der arme Lytton eine äußerst unangenehme Stimme hat.«
    »Ach …?« Freda wusste, dass sie auf keinen Fall Daphnes Blick auf sich ziehen durfte.
    »In der Musik nennt man so etwas ein Falsetto. Reden vor öffentlichem Publikum ist ihm daher unmöglich.«
    »Auch im privaten Kreis ist er schwer auszuhalten«, sagte George.
    »Zum Glück müssen wir dem Mann ja nicht zuhören«, sagte Harry, »oder ihn lesen, was deine Mutter betrifft.« Er sah Freda neben sich grinsend, mit beinahe elterlichem Einverständnis an, danach Hubert, der verlegen lachte. Den also würde man in Kauf nehmen müssen, diesen abgeklärten Humor, der nicht selten zu Sarkasmus gerann. Er war ein freundlicher und großzügiger Mensch, ungewöhnlich großzügig für einen so kühlen Charakter, aber nie konnte man sicher sein, ob er die gewünschte Wirkung erzielte.
    »Aber was das halb öffentliche Reden betrifft …«, sagte Cecil schelmisch und sah Daphne bedeutungsvoll an.
    »Oh, ja!«, sagte Daphne, aufgeweckt wie ein Kind von so viel plötzlicher Zuwendung. »Was ist mit unserer Lesung, Cecil?«
    »Ach, je, meine Liebe, was hast du vor?«, sagte Freda, die befürchtete, Daphne könnte ihre Gäste langweilen.
    »Es war Cecils Idee«, sagte Daphne.
    »Sicher hat er es nur aus Höflichkeit gesagt«, meinte Freda.
    »Ganz und gar nicht«, betonte Cecil.
    »Cecil hat angeboten, uns etwas vorzulesen, Mutter!«, sagte Daphne, ganz so, als wäre Freda taub und als wäre es verrückt, so ein Angebot auszuschlagen.
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Cecil«, sagte Freda. »Wenn Sie meinen. Aber sind Sie ganz sicher?« Schon vergessen war, dass sie selbst gestern Abend etwas ganz Ähnliches vorgeschlagen hatte, um die drei aus dem Garten ins Haus zu locken.
    »Lesen Sie uns doch etwas aus Ihrem eigenen Werk vor«, sagte Harry mit ernster Miene, um ihm zu zeigen, dass sein Ruf ihm vorausgeeilt war.
    Cecil senkte lachend den Blick. »Also, Daphne und ich hat ten die Idee, dass jeder sein Lieblingsgedicht von Tennyson vorträgt.«
    »Ach, Gottchen, ich weiß ja nicht«, sagte Freda, der gleich einfiel, dass sie

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