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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Lattenzäune mit erneuerter Aufmerksamkeit, liebevoll und kritisch zugleich, und wünschte sich sehnlich, sie würden den Augen des Dichters genügen und Cecil möge ihnen seinen Segen geben.
    »Hier ist der erste Teich«, sagte er und zog ihn auf die rutschige Uferböschung, an der ein kleines lebhaftes Mädchen mit einer Schirmmütze ein Spielzeugboot ins Wasser tauchte.
    Abwesend lächelnd überblickte Cecil das Rund trüben braunen, mit Entengrütze bedeckten Wassers. »Hier würde nicht mal ich meine Kleider ablegen«, sagte er, »neben den Leuten und den Cottages.«
    »Wir schwimmen ja auch nicht hier«, sagt George. »Dafür habe ich uns eine viel schönere und wirklich abgelegene Stelle ausgesucht.«
    »Ach, ja, Georgie?«, sagte Cecil mit einer Mischung aus Zuneigung, Lüsternheit und Skepsis, da er Pläne ungern anderen überließ.
    »Ja. Es gibt drei Teiche hier. Ich nehme an, die Dorfjungen baden in dem großen Teich hinter den Bäumen drüben. Wenn du mal gucken willst …?«
    Cecil schaute mitleidig dem Mädchen zu, das wohl noch zu jung war, um sich eher fürs Segeln als fürs Schiffeversenken zu begeistern, während der Holzrumpf des Bootes unermüdlich wieder hochkam und das triefende Segel sich jedes Mal aufrichtete. »Eigentlich«, sagte er entrückt, »will ich nur dich angucken«, und wandte sich lächelnd George zu, als hät te die Bemerkung einen Bogen in der Luft beschrieben, wäre zu einem sinnfälligeren und lohnenderen Ziel aufgebrochen, um am Ende auf wundervolle Weise zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren.
    Sie setzten ihren Weg über das offene Gelände fort, auf den Wald zu, nicht mehr Arm in Arm, Cecil wie gewohnt ein Stück voraus, sodass die angenehme Gewissheit von vorhin infrage gestellt schien. Die winzige Distanz schien George wie ein Vorgeschmack auf das, was sich am nächsten Morgen ereignen würde. Er hatte vor, Cecil zum Bahnhof zu bringen, doch schon bei der Vorstellung wurde er unruhig und be kümmert, es gebe keine Zeit, keine Gelegenheit … Einfach alles lief auf heute Nachmittag hinaus. »Warte auf mich!«, rief er.
    Cecil ging nun langsamer, drehte sich um und lachte so breit und treuherzig, dass George sofort schwach wurde und sich beruhigte. »Ich kann es kaum erwarten«, sagte Cecil, immer noch lächelnd; dann gingen sie weiter, nebeneinander, stumm und mit einem gemeinsamen Ziel. George nahm seine Atmung wahr, seinen Puls, als jetzt vor ihnen die Zickzacklinie der Eichenreihe auftauchte. Er war so eingenommen von seinen Gefühlen, dass er, geschwächt vor Aufregung, auf die Bäume zuzuschweben schien, als wäre die Landschaft rein symbolisch. Rechts von ihnen schritt ein Paar mittleren Alters, das er nicht kannte, mit zwei schnüffelnden und keifenden Cockerspaniels ebenfalls auf den Wald zu. Zwar nahm er sie wahr, jedoch nicht als reale Personen. Die Frau trug eine leuchtend blaue Bluse und einen flachen braunen Hut mit Feder; der Mann, in Flanellhose und mit einer Schiebermütze wie Cecils, winkte freundlich mit dem Stock. George nickte und legte, gepackt von Schuldgefühlen und Siegesgewissheit, einen Schritt zu. Es wäre ein Leichtes, diesen Leuten auszuweichen, das Verhalten anderer Spaziergänger war vorhersehbar. Am Waldrand entlang verlief noch ein Reitweg, andere Pfade führten über die ganze Breite des Parks von einer Lichtung zur nächsten, und unter den tiefer hängen den Zweigen hatte Damwild schmalere Trampelpfade angelegt. Geduckt betrat George einen dieser Pfade, einen grünen Tunnel zwischen jungen Eichen und Buchen, und Cecil blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. »Wie ich sehe, kennst du den Weg«, sagte er.
    Tatsächlich hatte George jahrelang in diesem Wald gespielt, zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester, und später, als er alt genug war, häufig auch allein. Ein halbes Dutzend hoher Bäume hatte er in endlosen Stunden, mit angehaltenem Atem und bangem Mut, ohne fremde Hilfe zu besteigen probiert, hier gab es Schlupfwinkel und Begräbnisplätze. Cecil diese Orte zu zeigen hieß, ihm Einblick in etwas zu gewähren, was von Cambridge und der Geheimgesell schaft meilenweit entfernt war. In der kleinen Lichtung am Ende des Tunnels richtete er sich auf, drehte sich um, hielt Cecil die Hand hin und stellte sich ihm in den Weg, als er daraus hervorkam.
    Cecil unterdrückte dezent sein übliches bellendes Lachen, knuffte George in die Seite und umklammerte mit der Hand seinen Unterarm, um ihn auf Distanz zu halten, aber ohne ihn

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