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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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über die eigene Nacktheit inmitten des Waldes, wo jeder Spaziergänger ihn sehen konnte und wo Cecil, in Hemd und Hose und Schuhen, ihn unverwandt beobachtete. Vorsichtig schritt er durch totes Laub und Eicheln hinunter zu dem Wasseroval. Es war ein warmer Tag, doch gleich, ob in der Sonne oder im Schatten, die Luft an seinem Rücken ließ ihn erschauern. Er sah, dass die Rolle, die er spielte, ihn erregte, diese neuerliche kleine Szene der Unterwerfung, in der seine eigene Geltung und seine Attraktivität dennoch eine Aufwertung erfuhren. Das ließ er sich gern gefallen, der zu sein, den Cecil mehr als alles andere begehrte. George kauerte sich hin, Cecil noch immer den Rücken zugekehrt, und schaute ins Wasser, das bräunlich war, lehmig, durch das einfließende Rinnsal sachte und beständig aufgerührt. Am anderen Ufer, sechs Meter entfernt, funkelndes Sonnenlicht. Sein Bein schnitt sich in die glatte Wasserfläche; kaum spürte er die beißende Kälte, warf er sich ganz hinein, drehte eine Runde, hielt inne und keuchte: »Köstlich!«
    Danach war er an der Reihe, Cecil zu beobachten, der geschickter und geübter im Entkleiden war. Ein Zupfen, ein Wedeln, ein Kicken, schon war er aus den Kleidern, das war Cecils Art. Wie ein Satyr, sonnengebräunt und sehnig, Waden und Unterarme dunkel behaart, tänzelte er die Böschung herab. Dann kam er in den Tümpel gesprungen, beinahe auf ihn drauf, tauchte ihn für ein paar Sekunden unter Wasser. Ihre Beine verhakten sich, und George, erschreckt und erregt, packte ihn. Er wollte ihn bezwingen, festhalten. Sie umkreis ten sich, spuckten Wasser, prusteten, die Wasseroberfläche mal glatt, mal brodelnd. Ihre Füße traten gegen Zweige, wühlten Blätter und Schlamm auf. Cecil griff nach ihm, legte einen Arm um seine Schulter, nahm ihn in den Klammergriff und zog ihn erbarmungslos unter Wasser.
    Am Waldrand, wo die Sonne unter dem hohen Blättersaum zwischen den Bäumen aufschien, legten sie sich für ein paar letzte gemeinsame Minuten zum Trocknen auf den Boden. Das Feld jenseits war bereits gepflügt, die verbliebenen Grasbüschel auf dem Rain verblichen und niedergetreten. Das kleine Rinnsal, das von dem Teich, in dem sie geschwommen waren, abfloss, sickerte hinter ihnen in einen langen verstrüppten Graben, ein Geräusch, kaum lauter als die gelegentlichen Vogelstimmen. George hatte seine Unterhose wieder angezogen, doch Cecil war noch immer splitternackt, lag auf die Ellbogen gestützt da und betrachtete kritisch seinen Körper. George liebte diese selbstbewusste Zurschaustellung, die ihn leicht, fast angenehm beunruhigte; er dachte an den Cockerspaniel Mary, blickte über den gewölbten Waldrand hinweg und erwartete beinahe, irgendwo zwischen den Bäumen die blaue Bluse zu sehen und das dröge Plappern des Paars auf seinem Spaziergang zu hören. Scheu wandte er sich wieder Cecil zu; nie würde er aufhören können, ihn zu betrachten, ihn in sich aufzunehmen. Er liebte seine schöne aufrechte Haltung, die jeder an ihm sah, aber genauso liebte er alles, was nicht dem Schönheitsideal entsprach oder es umdeutete, Dinge, die im Allgemeinen verborgen blieben, die sommersprossigen, muskulösen Schultern, die knorpeligen sehnigen Knie, die schwarze, glatt gestrichene Körperbehaarung, die dunklen Flecken der sommerlichen Mückenstiche an Armen und Hals, die langsam verblassten. Hinter ihm erhoben sich schummrig, schattenfleckig, die Säulen des Stadtwalds, Stanmore Com mon, für George die magische Landschaft seiner eigenen Einsamkeit. Und das war der Mann, der sie, von ihren Geheimnissen nichts ahnend, betreten hatte: Zügig hatte er sie inspiziert und in Besitz genommen, jetzt lag er der Länge nach ausgestreckt vor ihr. Lag da und wälzte sich mit einem abwesenden Blick auf George, ließ sich auf ihm nieder, zwickte ihn spielerisch, als er seinen Körper mit den Beinen umklammerte, und große Wassertropfen aus seinem Haar tropften auf das zuckende Gesicht von George, der nach Luft rang.
    Es war der Hut, den er zuerst erblickte, über Cecils Schulter, während sich sein Freund rhythmisch auf ihm bewegte: rot und weiß, noch fern, aber näher kommend, über dem Farnkraut am hinteren Feldrand, wo der Waldsaum einen Bogen beschrieb. »Nein! Nein!« Er zog die Knie an, traktierte Cecil mit Fäusten, versuchte ihn wegzustoßen, abzuwerfen.
    »Nein?«, hechelte Cecil ihm hämisch ins Gesicht.
    »Nein, nicht, Cess! Hör auf!« Ruckartig reckte er den Kopf, um besser sehen zu

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