Fremden Kind
jedes Mal. Zeugte sie von Tugend oder eher von Mangel an Tugend, fragte er sich. Vielleicht dachte Cecil, es gehöre sich einfach nicht, sich von dem Erlebten so mitreißen zu lassen. George gab die zärtliche Komödie von der Mimose, die sich allmählich erholte, sein gebrechliches Jammern und aufbegehrendes Stöhnen über seine Schändung wurde geflissentlich ignoriert. Im College hatte er sich einmal gleich danach wieder an den Schreibtisch gesetzt, um einen Aufsatz zu Ende zu schreiben, und schien beinahe verärgert, als er sich nach einer Weile umdrehte und feststellte, dass George immer noch dalag, so wie jetzt, erschöpft, aber selig, und sich nach ausdauernder Berührung und dem zärtlichen wissenden Lächeln der Komplizenschaft sehnte.
»Putziges Tierchen«, sagte Cecil launisch.
»Oh, vielen Dank«, sagte George.
»Du doch nicht«, sagte Cecil, hob das Kinn und ahmte das rasante Knabbern des Nagers nach.
George lachte kläglich und setzte sich auf, die Arme um die Knie geschlungen. Er wollte Cecil mitteilen, wie er sich fühle, fürchtete jedoch, das, was er empfand, könnte ungehörig sein; und selbst dann: Es ihm zu sagen hieße, ihn zu preisen, denn er war es, der diese heftige Wirkung in ihm hervorgerufen hatte. »Helfen Sie mir bitte auf, Sir«, sagte er.
Cecil kam zurück, umfasste die ausgestreckte Hand und half ihm auf. Er war doch nicht so distanziert – sie küssten sich, ein, zwei Sekunden lang, und es reichte als Bestätigung, jedoch nicht, um wieder von vorn anzufangen.
An zwei, drei Stellen im Wald kamen Bäche herab, schlängelten sich zwischen den gewaltigen Wurzeln der Eichenbäume hindurch, füllten Kuhlen und liefen weiter. Sie plätscherten fast geräuschlos dahin, und erst wenn man ihr eifriges leises Murmeln hörte, nahm man sie wahr. Sie führten Blätter mit sich, die sich an Zweigen und Wurzeln verfingen und zu graugoldenen Dämmen aufschichteten und dahinter klare Tümpel aufstauten. An einer niedrig gelegenen Stelle am Waldrand, hinter dem natürlichen Deich aus einem umgestürzten und halb untergetauchten Baum, an dem sich Sand abgelagert hatte, fanden zwei Bäche zusammen und bildeten einen größeren Teich. Im Hochsommer war er zum Baden zu flach, doch der Regen der letzten Tage hatte ihn aufgefüllt.
»Der unterste Teich ist tiefer, als er aussieht«, sagte George.
»Aha«, sagte Cecil.
»Willst du reinspringen?« Wenn er ihm nicht allzu deutlich zeigte, wie gerne er ihn wieder nackt sähe, bekäme er seinen Wunsch vielleicht erfüllt. Bis jetzt war das Wochenende ein einziger Hindernislauf mit heruntergezogenen Hosen und halb aufgeknöpften Hemden gewesen.
»Geh du voraus und erkunde die Lage«, sagte Cecil.
George lächelte ihn schräg von der Seite an, etwas enttäuscht zwar, aber einverstanden. »Na gut«, sagte er und band sich die Schnürsenkel auf.
»Langsam«, sagte Cecil. »Guck mich dabei an.« Er ging zu der großen Eiche oberhalb des Teiches, suchte den knorrigen, verdrehten Stamm nach Stellen ab, wo sein Fuß Halt finden konnte, erklomm den Baum in wenigen Sekunden bis zur ers ten Gabelung und rutschte rittlings auf einem über den Teich ragenden Ast ein Stück vor. Dort blieb er sitzen und hatte sich den Wald mit einem Mal zu eigen gemacht, so wie George meinte, es früher selbst gemacht zu haben. »Ich sehe dich gut«, sagte er.
»Ich dich auch«, sagte George, öffnete den Kragenknopf seines Hemdes und zog es über den Kopf.
»Langsam, habe ich gesagt«, erinnerte ihn Cecil.
Als die Hose dran war, wurde er langsamer. Er bemerkte an sich eine gewisse Scheu, die seinem Wunsch zu gefallen im Weg stand. Cecil lächelte provokant, Erregung getarnt als Erheiterung. »Du bist wie ein scheuer Waldgeist«, sagte er, »der neugierige Blicke von Männern nicht gewohnt ist. Vielleicht bist du eine Baumnymphe.«
»Baumnymphen sind weiblich«, sagte George, »was ich nicht bin, wie du siehst.«
»Ich kann es immer noch nicht richtig erkennen. Für mich bist du eine Hamadryade, und du haust in der Eiche, auf der ich sitze.«
George faltete seine Hose locker zusammen und legte sie auf einen alten Baumstumpf; um aus der weißen Unterhose zu schlüpfen, kehrte er Cecil den Rücken zu und sah mit leisem Bedauern, dass die Rauferei von eben Flecken auf der Hose hinterlassen hatte. »Nur nicht so schüchtern«, sagte Cecil beinahe verärgert. George warf einen Blick über die Schulter und vergaß seine kleine Sorge um den Fleck. Viel größer war das Befremden
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