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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Garten, Mondlicht, Teich und Wind
    Sanft in Verwandlung gehen ein
    Und Jahr um Jahr der ganze Hain
    Vertrauter wird des Fremden Kind;
    Die ersten zaghaften Tropfen, wie Trippelschritte oder taktvolle Räusperer, hatten rasch an Selbstvertrauen gewonnen und gingen über in ein stürmisches Prasseln, und Cecil, ein Freund der Elemente, beeilte sich, hob die Stimme in dem Moment, als es galt, das Gedicht zu Ende zu bringen, und las eindringlich:
    Wie Jahr um Jahr der Landmann pflügt
    Die Erde, immer neu und jung;
    … doch jetzt standen alle auf, um Lampe und Tisch hereinzuholen und die Terrassentür zu schließen, und Cecils letzte Worte erhoben sich wie ein entschlossener Ruf gegen den rauschenden Regen:
    Und Jahr um Jahr Erinnerung
    Im Kreis der Hügel still verfliegt.

10
    H ubert wachte mit einem stechenden Schmerz über dem linken Auge auf, dort, wo sich scheinbar eine Reihe bedrückender Gedanken versammelt und einen Knoten gebil det hatte. Sein Pyjama war zerknittert und schweißnass. Das gesellschaftliche Leben, obwohl es durchaus seine Be deutung hatte, hinterließ bei ihm häufig Verwirrung und körperliche Verstimmung. Der auf das Dach prasselnde Regen hatte ihn in den Schlaf gelullt und auch wieder geweckt. Er war erhitzt; verschwommene, ahnungsvolle Bilder tauchten auf, von umhergehenden Menschen, seiner Mutter, deren Nächte unruhig waren; und im Wegdösen und Wiederaufwachen verwoben sich seine Sorgen um sie mit der Erinnerung an unangenehme Momente während des Dinners und da nach. Dann ging eine gnadenlos helle Sonne auf. Wie Cecil Valance vergeudete auch Hubert ungern Zeit, doch im Gegensatz zu Cecil wusste er manchmal nichts mit ihr anzufangen. Er beschloss, die erste Gelegenheit zur heiligen Kommunion zu nutzen; sollte der Rest der Gesellschaft ohne ihn zur Frühmesse gehen. Zwanzig Minuten später schloss er die Gartenpforte hinter sich und begab sich mit einer Miene trotziger Rechtschaffenheit den Berg hinab. Es war ein frischer stiller Morgen geworden, vor ihm lag die große Talsenke des nördlichen Middlesex, jenseits die korrespondierende Anhöhe von Muswell Hill, die im Nebel aufstieg, doch die gewohnte, schlichte Freude darüber, dass er hierhergehörte, wollte sich nicht einstellen.
    Der Messe, gelesen von dem umständlichen Vikar Barstow, schenkte er nur geringe Aufmerksamkeit, doch erfüllte es ihn mit einiger Genugtuung, auf seinem angestammten Platz in der Kirchenbank zu sitzen und auf den mit einem harten Teppich ausgelegten Altarstufen zu knien. Danach nahm er den Weg durch die Priory nach Hause und war von dem Anstieg noch ganz belebt, als er sich zu den anderen an den Frühstückstisch setzte. Cecil redete auf seine angestrengt unterhaltsame Art, und obwohl Hubert alle ordentlich begrüßte und sich erkundigte, ob sie gut geschlafen hätten, spürte er, dass Cecil die Führung bereits übernommen hatte.
    »Ich habe beinahe beängstigend gut geschlafen«, sagte Cecil, und sein stirnrunzelnder Blick auf das gekochte Ei verriet, dass er mit Gelächter rechnete. Dann fuhr er an der Stelle fort, wo er unterbrochen worden war. »Nein, das überlasse ich dir, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Du musst wissen, Mutter, Cecil ist ein Heide«, sagte George.
    »Cecil betet die Dämmerung an«, sagte Daphne.
    »Ich verstehe«, sagte ihre Mutter mit der forcierten Klarheit ihrer Morgenstunden.
    »Ich muss gestehen«, sagte Cecil, »dass ich erleichtert war, als George mir sagte, die Kirche in Stanmore sei eine Ruine ohne Dach.«
    »Möglicherweise vergaß er zu erwähnen«, sagte Hubert, »dass unmittelbar daneben eine neue Kirche steht. Die kann ich nur empfehlen.«
    »Mir würde die Ruine besser gefallen«, sagte Daphne versuchsweise.
    »Also wirklich, Kindchen!«, sagte ihre Mutter und goss sich mit unsteter Hand Tee ein. »Dann geht eben einer weniger mit.«
    »Oh …!«
    »Ich meine Cecil, nicht dich.«
    »Wir wollten uns eigentlich vor den Dorfbewohnern mit dir brüsten«, sagte George.
    »Daphne wird Ihnen beim Lunch die Predigt wiedergeben«, sagte seine Mutter.
    »Und was soll Cecil solange machen, wenn wir in der Kirche sind?«, fragte Daphne.
    Cecil lächelte unschlüssig und murmelte dann: »Ach, ich überarbeite ein Gedicht.«
    »Siehst du«, sagte Daphne, und auch George sah sich bestätigt.
    Hubert, dem ein bisschen mulmig war, goss sich Kaffee nach und stand auf. »Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich mich entschuldige«, sagte er und verließ den Raum mit dem deutlichen

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