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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Gefühl, dass seine Vermutung zutraf. Er ging durch die Halle ins Arbeitszimmer seines Vaters und schloss die Tür hinter sich.
    »Mein lieber Harry,«
    schrieb er,
    »selbstverständlich bringe ich das Zigarettenetui zu Kinsley und lasse Deinen Namen eingravieren – aber lieber nicht in meiner Handschrift, die aussieht, als versuchte sich ein Mann beim Stricken, wie ein Scherzbold mal bemerkte.«
    Niedergeschlagen sah er aus dem kleinen verbleiten Kassettenfenster, das von dem Blattwerk davor halb verdeckt war, und fuhr fort:
    »Du hast dich gestern Abend über mich geärgert, Harry, doch ich finde, Du tust mir unrecht. Es tut mir leid, aber ich scheue Zurschaustellung von Zuneigung zwischen Männern.«
    Wieder hielt er inne, fügte dann mit einer Entschlossenheit, die seine gequälte Miene Lügen strafte, ein »verab« vor das »scheue« ein, änderte den Punkt in ein Komma und fuhr fort:
    »als etwas Unmännliches und ›Schöngeistiges‹. Mir ist be wusst, dass der Rest des Sawle-Clans eher zu so etwas neigt, doch meinem Wesen liegt es fern. Du weißt ja, Harry, alter Knabe, so einen Freund wie Dich hat keiner. Ich hätte Dir unsere Situation nicht offenbaren sollen, sie ist alles andere als ›verzweifelt‹, und ich hoffe, wir kommen zurecht. Noch sind wir nicht ›bis aufs letzte Hemd verschuldet‹, wie Du Dich ausdrückst! Und man kann sagen, was man will, die kleinen Annehmlichkeiten des Lebens machen doch viel aus. Wie Du mittlerweile festgestellt haben dürftest, lieber Harry, bin ich nicht der Typ, der seine Gefühle offen zeigt, aber wir sind alle sehr dankbar.«
    Hubert lehnte sich zurück und strich sich verdrießlich seinen Schnauzbart über den Mund. Der Brief war nicht gut gelungen. Er sah zu dem Foto seines Vaters, das über dem Bücherregal hing, und fragte sich, ob er jemals vor einem ähnlichen Problem gestanden hatte. Es war wirklich schwer, wenn man einen Freund hatte, der bereit war zu helfen, und dann passierte so etwas. Dabei wusste er nicht einmal genau zu sagen, was eigentlich passierte. Er musste es unbedingt ansprechen, bevor Harry ihn zu einer Spazierfahrt im Auto nach St Albans abholte. Noch immer unschlüssig, ob er den Brief abschicken sollte oder nicht, beendete er ihn mit der nüchternen Formel »Immer Dein Hubert«. Dann fiel ihm wieder eine Idee von gestern Abend ein, die Harry hoffentlich nicht kränken würde, ja, der man sogar eine gewisse Eleganz abgewinnen konnte, und fügte sie als P S hinzu: »Ein einzelnes ›H‹ auf dem Etui würde doch eigentlich auch reichen. Es stünde für uns beide …«
    Dann meinte er, es sei vielleicht doch besser, den Brief noch mal ganz von vorn anzufangen.

11
    S ie verließen den Garten durch das Tor und schlugen den Weg zum Stanmore Common ein. Cecil ging instinktiv voraus. »Was hast du denn nun getrieben, während wir immerzu auf die Knie gefallen sind und Gebete heruntergeleiert haben?« Die Stunde in der Kirche, getrennt von Cecil, war unerwartet quälend gewesen.
    »Ach, ungefähr das Gleiche«, sagte Cecil. »Ich habe mich ins Gras fallen lassen und dem Zimmermädchen was vorgeleiert.«
    »Der kleinen Veronica?«
    »Ja. Armes Kind. Wir haben uns über die Aussichten auf einen Krieg gegen Deutschland unterhalten.«
    »Ich bin überzeugt, dass sie dazu eine maßgebliche Meinung hat.«
    »Sie meinte, es sei durchaus denkbar.«
    »Oje!«
    »Ich glaube, die arme Veronica hat sich in mich verguckt.«
    »Cecil, Darling, du musst nicht denken, jeder hier auf ›Two Acres‹ sei in dich verliebt«, sagte George mit einem Anflug von Misstrauen, lächelte aber dennoch zufrieden in sich hinein. Schon fragte er sich, ob Cecils Erfolg nicht vielleicht doch allzu durchschlagend war.
    »Sie ist ein attraktives junges Mädchen«, sagte Cecil in dem nüchternsten Tonfall, den er aufzubringen vermochte.
    »Ach ja?«
    »In meinen Augen jedenfalls.« Cecil lächelte halbherzig. »Aber ich teile ja auch nicht deine gepflegte Abneigung gegen den bloßen Gedanken an eine Möse.«
    »Allerdings«, sagte George trocken, wurde jedoch gleich rot. Sein Gesicht war heiß und angespannt. Er merkte, wie leicht Cecil ihm den Spaziergang, den Tag, ja, das ganze Wo chenende mit seiner unbedachten Aggression verderben konn te, wenn er wollte. »Sie ist erst sechzehn«, sagte er.
    »Genau«, sagte Cecil, lenkte jedoch ein, hakte sich bei George unter und zog ihn, während sie weiterschlenderten, dicht zu sich heran. »Haben dich mit sechzehn keine sündigen Gedanken

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