Fremden Kind
zurück, und sie lachten. Ein Anflug von Eifersucht erfasste sie. »Hubert war unsere größte Stütze zu Hause, da mein Vater sehr jung gestorben war.«
»Dann war er also nicht verheiratet?«
»Nein, er war nicht verheiratet. Allerdings stand er einem Mädchen aus Hampshire sehr nahe …«
»Ah …?«
Daphne wandte sich wieder dem Raum zu. »Aber daraus wurde dann nichts.«
»Viele tapfere Mädchen wurden im Krieg sitzen gelassen«, sagte Eva auffallend trotzig, und dann, mit einem nachgeholten Erschrecken: »Ich hoffe, ich habe Ihre Mutter vorhin nicht beleidigt, als ich davon sprach, Kontakt mit Cecil aufzunehmen. Ich meine, ich finde die Idee trotzdem lächerlich, aber da wusste ich natürlich das mit Ihrem Bruder noch nicht.«
»Ich glaube, sie ist einmal zu einer Séance gegangen, aber es hat nicht geklappt.«
»Nein …«
Über Louisas spiritistische Obsession, die sie und Dudley eindeutig verurteilten, wollte Daphne nicht sprechen, schon gar nicht mit jemandem, der nicht zur Familie gehörte. Ihre Entrüstung über Evas Spott, den sie gleichzeitig sehr gut verstehen konnte, bestärkte sie noch in ihrer Loyalität. In dem Moment schlug die Tischuhr halb vier und machte jeden weiteren Gedanken zunichte. »So etwas Brutales!«, sagte Eva mit einem knappen Kopfschütteln, als dürfte es selbst Daphne nun nicht mehr bedauern, wenn man das Monstrum endlich loswürde. »Ja«, fuhr sie fort, »Ihr Mann hat mir die besagte Stelle in seinem neuen Buch vorgelesen, die berühmten Buchtests – wahnsinnig witzig, finden Sie nicht auch? Wie er das nur macht – deswegen kam ich darauf.«
»Ach so …?«, sagte Daphne schwerfällig, spürte aber, wie sich ihr Gesicht vor Kränkung und Empörung umgehend und unkontrollierbar in eine Maske verwandelte. »Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick.« Sie wandte sich ab und ging rasch in die Halle, wo jetzt die Standuhr sanft die Zeit ansagte und auch die Uhr im Salon dahinter, ohne jedes Gespür, dass man soeben ihre Gefühle mit Füßen getreten hatte, lief zur Haustür und weiter nach draußen auf die Veranda. Sie blickte über die kiesbestreute Einfahrt hinweg zu den Bäumen im Garten, der langen abschüssigen Auffahrt hinunter zum Eingangstor und in den blauen Berkshire-Nachmittag, der sich dahinter erstreckte. Mit Abscheu rauchte sie die Zigarette zu Ende und trat sie auf der Treppenstufe mit ihrem Absatz aus. Sie würde es Dudley gegenüber nicht erwähnen, und schon gar nicht würde sie Eva Riley sagen, dass bisher noch niemand auch nur eine Zeile von »seinem neuen Buch« zu sehen, geschweige denn witzige Stellen daraus vorgelesen bekommen hatte. Wahrscheinlich war es bei irgendeiner Besprechung in seinem »Büro« passiert, über die Pläne gebeugt – der grausame, jedes Vertrauen untergrabende Beweis, dass ihre eigene skrupulöse Loyalität gegenüber Louisa, gegenüber der Familie, vom Familienoberhaupt selbst nicht geteilt wurde. Sie fühlte sich nicht ernst genommen in ihrem hohen Anspruch, war eher wütend als verletzt. Sie fuhr sich durchs Haar und über den Nacken, als stünde sie vor einem Spiegel, und tat dann das, was man auf Corley immer tat, sie ging wieder ins Haus.
Eva schien sich zu freuen, als sie wiederkam, und setzte da ein, wo sie aufgehört hatte. »Es ist ein Glück für mich, dass ich Ihren Mann kennenlernen durfte«, sagte sie, bescheiden, doch unterschwellig besitzergreifend.
»Seltsam«, sagte Daphne, »aber eigentlich weiß ich gar nicht, woher Sie ihn kennen.« Natürlich wusste sie, was Dudley ihr erzählt hatte.
»Ich baute damals gerade Bobby Bannisters Haus in Surrey um, und der hat mich dann wohl … Ihrem Mann empfohlen. Ich glaube, er hat ihn überhaupt erst auf die Idee gebracht, Corley zu modernisieren.«
Es entsprach genau Dudleys Version, nur bei dem dreisten »modernisieren« musste Daphne doch lachen. »Das ist zu einer Marotte von Dud geworden. Ich glaube, er macht es hauptsächlich, um seine Mutter zu ärgern.«
»Oh, ich hoffe doch sehr, dass es mehr als nur das ist«, sagte Eva. »Ich muss gestehen, ich arbeite gerne hier.« Sie schaute Daphne mit enervierender Liebenswürdigkeit an.
»Nun …«, sagte Daphne und trat ans Fenster, um die Spur von Revel und George wieder aufzunehmen, doch jetzt war nichts mehr von ihnen zu sehen. Sie hörte das leise Klicken der Bibliothekstür, drehte sich um und erwartete ihre Mutter, die, begleitet von beruhigenden und dankenden Worten, ins Zimmer geleitet würde
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