Fremden Kind
– doch Sebby kam allein, den Kopf zur Seite geneigt, mit einem entschuldigenden Lächeln. Offenbar war Freda durch die andere Tür in die Halle hinauskomplimentiert worden: im ersten Moment verblüffend, als wäre sie dauerhaft entschwunden. »Sie macht sich Sorgen um ihre Freundin«, sagte Sebby.
»Ja, ich fürchte, es geht ihr überhaupt nicht gut.« Daphne nickte Eva ausdruckslos zu und trat ein, und als sich die Tür hinter ihr schloss, bestätigte das Klicken nur ihren Eindruck von vorhin, wie der Prozess ablief: Man schaute eine Weile zu, dann war man Teil der Inszenierung. Die leichte Verlegenheit, Gast im eigenen Haus zu sein, trübte für sie beide die ersten Sekunden etwas ein, doch gingen sie mit einem Lächeln darüber hinweg. »Ich komme mir vor wie ein Arzt«, sagte Sebby.
»Mrs Riley meinte, Sie seien eher wie ein Detektiv«, sagte Daphne.
Sebby reagierte zögerlich, aber selbstsicher. »Ich hoffe, nicht mehr als ein wohlmeinender Freund«, sagte er und wartete, bis Daphne Platz genommen hatte. Auf dem großen Tisch hatte er alle Publikationen ausgelegt, in denen Verse von Cecil abgedruckt waren – einen kleinen Stapel Zeitschriften, die Anthologien Georgianische Gedichte und Cambridge-Dichter sowie das einzige Buch, das zu Lebzeiten erschienen war, Nachtwache und andere Gedichte , in einem weichen grauen Papierumschlag und mit den unvermeidlichen Eselsohren und Einrissen. Ein zweiter Stapel enthielt offenbar nur Manus kripte – und ihr Poesiealbum, das sie ihm heute Morgen überlassen hatte. Diese Indizien eines klaren Prozedere beeindruckten und verunsicherten Daphne, und sie musste erkennen, dass sie nicht vorbereitet war. Sie wäre dazu auch nicht in der Lage gewesen. Sie hätte sich auf nichts, das sie beizusteuern gehabt hätte, konzentrieren können. Stattdessen hatte sie seltsamerweise darauf vertraut, dass sich Inspiration einstellte, sobald Sebby mit seinen Fragen begonnen hätte. Jetzt bedauerte sie, dass sie sich in den vergangenen zehn Minuten mit Eva herumgeschlagen hatte, statt ihre Gedanken zu ordnen.
»Verzeihen Sie«, sagte Sebby, wandte sich zum Tisch und fing an, zwischen den handgeschriebenen Manuskripten nach etwas zu suchen. Daphne erkannte Cecils Briefe an sie, die sie ebenfalls pflichtbewusst übergeben hatte, und wieder spürte sie die Abneigung, sich mit ihnen zu befassen. Sie sah auf Sebbys gebeugten Rücken und dann hinein in den langen schummrigen Raum hinter ihm. Obwohl sie, wie Eva sich ausgedrückt hatte, eine eifrige Leserin war, hatte sie sich mit der Bibliothek nie recht anfreunden können; so wie Dudleys Arbeitszimmer, das sie niemals betrat, gehörte sie zu einem Teil des Hauses, der außerhalb ihres Hoheitsgebietes lag. Manchmal suchte sie hier nach einem bestimmten Buch, einem Roman aus den ledergebundenen Werken von Trollo pe oder Dickens oder einem alten Punch -Band für Wilfie, damit er die Cartoons darin studieren konnte. Doch nie wurde sie das Gefühl los, hier nur Besucher zu sein, wie in einer öffentlichen Bücherei mit ihren Regeln und Mahngebühren. Außerdem strahlte der Raum als ehemaliger Schauplatz für die mittlerweile berühmten Buchtests ihrer Schwiegermutter eine traurige Atmosphäre aus. Sebby ahnte vermutlich nichts davon, doch für sie war die Bibliothek von den zurückliegenden Versuchen, mit Cecil Kontakt aufzunehmen, vergiftet – alles Unsinn, wie sie und Eva gemeinsam befunden hatten, doch wie so mancher Unsinn nicht so leicht abzuschütteln.
Sebby setzte sich auf dieselbe Seite des Tisches wie sie, sich der feinen Unterschiede offenkundig bewusst, sie, halb so alt wie er, doch eine Dame von Adel, er, sehr viel klüger, ein angesehener Gast, den man gebeten hatte, seinen Gastgebern einen besonderen Dienst zu erweisen. »Ich hoffe, es quält Sie nicht allzu sehr«, sagte er.
»Aber nein, überhaupt nicht«, sagte Daphne gnädig und brachte mit ihrem Lächeln milde Verwunderung über den Gedanken zum Ausdruck, dass es sie vielleicht doch quälen sollte. Sie sah die Unentschlossenheit in Sebbys Blick.
»Der gute Cecil hat in vielen Menschen, die seinen Weg kreuzten, heftige Gefühle ausgelöst«, sagte er.
»Allerdings.«
»Und Sie, wie ich den Briefen entnehmen kann, die Sie mir großzügigerweise überlassen haben, müssen auf ihn anscheinend einen ähnlichen Eindruck gemacht haben.«
»Ja, ich weiß. Schrecklich, nicht?«, sagte Daphne.
»Ha …« Sebby war sich ihrer nicht sicher und nahm einen Packen Briefe aus dem
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