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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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hätte seine helle Freude daran, noch immer im Mittelpunkt zu stehen«, sagte Daphne.
    »Cecil war sehr von sich eingenommen«, bemerkte Freda, »wenn Sie verstehen.«
    Mrs Riley sah sich kurz im Raum um, bevor sie, etwas spitz, sagte: »Erhält Ihre Schwiegermutter immer noch Nachrichten von ihm?«
    »Nein, nicht mehr«, sagte Daphne. »Diese Geschichte war sowieso Unsinn und auch sehr traurig.«
    »Was hast du gesagt, meine Liebe?«
    »Nichts weiter, Mutter … Es geht um Louisas Buchtests, falls du dich erinnerst.«
    »Ach, die, ja«, sagte Freda etwas angeschlagen. »Sehr traurig.«
    »Sicher, es ist Unsinn«, sagte Mrs Riley, »aber es würde bestimmt Spaß machen, es mal zu versuchen.«
    »Ich glaube, mit Spaß hat das wenig zu tun«, sagte Freda konsterniert.
    »Vielleicht gelingt es uns ja, bis zum guten alten Cecil vorzustoßen«, sagte Mrs Riley munter. Im selben Moment öffnete sich die Tür, und Sebby Stokes kam herein, taktvoll, unausweichlich.
    »Meine liebe Mrs Sawle«, sagte er nur und bettete seine Förmlichkeit auf ein Lächeln.
    »Na gut!«, sagte Freda mit einem launischen Tremolo und griff nach ihrer Handtasche.
    Daphne sah ihre Mutter den Raum durchqueren, sah deutlich ihre komische Heldenmütigkeit, wohl wissend, dass man sie beobachtete, aufgeregt wie sie war, aber entschlossen, ihre Sache gut zu machen, ein fügsamer Gast im Haus ihrer Tochter. Ein Bückling der Ergebenheit, trat sie durch die Tür in die größere, aber dunklere Bibliothek dahinter, ein Anflug von Gebrechlichkeit, eine Neigung, mehr als nur die Last ihrer neunundfünfzig Jahre zu tragen, ein leichtes Torkeln trotz ihrer Grandezza, das ihre Tochter jetzt als gegeben hinzunehmen hatte. Daphne sah das Unbeugsame, Tüchtige und Ehrliche in der Mutter, so wie sie sie bisher immer gekannt hatte, der größeren Frau, moralisch größer – und das sonst keiner, außer vielleicht George, noch sehen konnte –, gleichzeitig sah sie, wie erschüttert und verletzlich sie war. Sie war selbst eine trauernde Mutter, doch in der Hierarchie des Kummers in diesem Haus wurde der ihre meist übersehen. Sebby blickte sich, abwesend nickend, noch einmal um und zog dann die Tür ins Schloss, und das trockene Klicken klang merkwürdig bedeutsam.
    Mrs Riley stand vom Schreibtisch auf und kam jetzt auf Daphne zu. Sie hatte einen fliehenden Gang und warf sich beim Gehen mit einer Nervosität nach vorn, die von ihrem affektierten Reden übertüncht wurde. Sie schritt über den Kaminvorleger und schnippte die Zigarettenasche ins Feuer. »Das Ganze artet ja in einen Agatha-Christie-Roman aus«, sagte sie, »und unser Sebastian gibt den Monsieur Poirot.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Daphne, stand ebenfalls auf und trat ans Fenster.
    »Wer war der Mörder? Ich glaube, ich nicht …«
    »Daran würden Sie sich doch wohl erinnern, oder?«, widerstand Daphne dem Spiel. Draußen, am hinteren Rand des Ra sens, saß Revel auf einer Steinbank und zeichnete das Haus.
    »Glauben Sie, dass er uns zum Schluss alle ins Zimmer bittet, um uns die Lösung zu präsentieren?«
    »Das möchte ich bezweifeln«, sagte Daphne. Revels Haltung, sein Äußeres, als wäre er selbst eine Figur in einem Bild, hatten eine solche Anmut, dass sie unwillkürlich lächeln musste. Er nutzte den Tag – er war draußen in der Aprilsonne –, während Daphne hier wie ein Kind, das eine sinnlose Strafe auferlegt bekommen hat, davon abgehalten wurde. Sie schaute auf ihren Schreibtisch, auf dessen Unterlage der Brief lag, die Adresse jedoch von Mrs Rileys lackiertem Zigarettenetui verdeckt.
    »Wie ich sehe, macht Ihr Freund Revel gerade eine Zeichnung«, sagte Mrs Riley.
    »Ja, ich habe wirklich Glück«, sagte Daphne und wandte sich vom Fenster ab.
    »Hm, der Junge hat was«, sagte Mrs Riley. Sie lächelte abwesend. »Einen femininen Touch. Wahrscheinlich ist er femininer als ich!«
    »Ach … na ja …«
    »Er ist natürlich noch schrecklich jung.«
    »Das stimmt.«
    »Wie alt ist er?«
    »Ich glaube, vierundzwanzig«, sagte Daphne leicht irritiert und fuhr dann rasch fort: »Ich freue mich sehr darüber, dass er das Haus zeichnet. Er hatte schon immer ein gutes Gespür und sehr viel übrig für Corley Court.«
    »Sie meinen, er soll das Haus festhalten, bevor ich es abreiße!«, räumte Mrs Riley lachend ihre Konkurrenz ein und errötete leicht – was unter ihrem dicken, hellen Make-up einen seltsamen Effekt hatte. »Da machen Sie sich mal keine Sorgen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«,

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