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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Aufmerksamkeit erregt, und als Cecil anfing, Daphne zu schreiben, hatte sie das unterstützt. Zweifellos sah sie eine Zukunft in dieser Verbindung, und wenn Cecil Urlaub hatte, durften sich die beiden mit ihrer Erlaubnis treffen. Doch dann musste sie ihm irgendetwas übel genommen haben. Möglich, dass Cecil etwas Bestimmtes gesagt oder getan hatte, eine Geringfügigkeit, die Freda niemals ansprechen und niemals vergessen würde, ja, wegen der pochenden Empörung, die sie zuverlässig in ihr hervorrief, geradezu wie einen Schatz hütete … Jetzt diente er ihr nur als Vorwand – Daphne wusste, dass sie eigentlich wegen der Kinder gekommen war. Doch nun glätteten sich die Falten auf Fredas Stirn. »Ich werde nie vergessen, wie er uns an dem Abend draußen im Garten Gedichte vorgelesen hat. Swin burne, glaube ich – und seine Stimme erst!«
    »Oh, ja. War es wirklich Swinburne? Ich erinnere mich nur noch an In Memoriam .«
    »Ha, wie passend!«, sagte Freda und starrte erneut mit leerem Blick in die schwachen Flammen. »Hat er uns nicht auch eigene Gedichte vorgelesen?«
    »Wir mussten ihm die ganze Nacht zuhören«, sagte Daphne.
    »Wir saßen auf dem Rasen, oder? Unterm Sternenhimmel.« Daphne hatte es anders in Erinnerung, aber es lohnte nicht, es richtigzustellen. Fredas Blick wanderte durch den Raum an Mrs Riley vorbei nach draußen, zu dem Rasen und den Bäumen im Park dahinter. »Manchmal denke ich, dass alles anders gekommen wäre, wenn George Cecil nicht kennengelernt hätte …«, sagte sie.
    »Ja, allerdings …«, sagte Daphne, kurz auflachend. »Natürlich hätte sich alles anders entwickelt, Mutter.«
    »Nein, meine Liebe«, sagte Freda, »so war das nicht gemeint. Ich finde nur, dass einige seiner Ideen wirklich töricht waren … Ach, ich weiß nicht, vielleicht lässt sich das gar nicht sagen.«
    »Seine Ideen?« Daphne glaubte zu wissen, was ihre Mutter meinte. »Sag ruhig, was du denkst.«
    Freda schien das Für und Wider dieses Privilegs abzuwägen. »Jedenfalls hat er dir gehörig den Kopf verdreht«, sagte sie ziemlich freudlos.
    »Ich war noch sehr jung«, entgegnete Daphne leise und wünschte sehnlichst, Mrs Riley würde nicht ihren Schreibtisch mit Beschlag belegen, mit ihrem Füllfederhalter spielen und dem Gespräch auf ihre beleidigte, abschätzige Art folgen. Beinahe schüchtern sagte sie jetzt: »Sie müssen noch ein Mädchen gewesen sein.«
    »Ja.«
    »Sie war anfällig für so etwas«, erklärte Freda, »habe ich recht, Daphne?«
    »Vielen Dank, Mutter!«
    »Und dann schrieb er sein berühmtestes Gedicht für Sie. Sie müssen doch förmlich von den Socken gewesen sein«, sagte Mrs Riley und hatte ihre Freude an dem Bild.
    »Ja, so war es«, sagte Freda.
    »Eigentlich«, sagte Daphne, »hat er es für uns alle geschrieben.« Heute wunderte sie sich etwas über das ganze Theater um dieses Gedicht, und die Erinnerung daran, was es ihr einst bedeutet hatte, war ihr fast peinlich. Man hätte ihr niemals erlaubt, es für sich zu behalten. An jenem Morgen war es ihr das Kostbarste, was sie je bekommen hatte, und dann musste sie erleben, wie man es ihr entriss. Alle wollten ihren Anteil daran. Jetzt hatten sie ihn, sollten sie ihn ruhig behalten, und wenn sie versuchte, ihn zurückzufordern, dann nur als demütigenden Beweis ihrer ersten Verliebtheit. Gelegentlich spielte sie ihre Rolle aus: Wenn andere hinter die Geschichte kamen und sie verzückt ansahen, dann stimmte sie ihnen bei, was für ein großes Glück sie als junge Frau gehabt habe, doch ergänzte, wenn eben möglich, dass sie heute keinen Wert mehr darauf lege. Keine Woche später hatte sie von George erfahren, dass fremde Leute das Gedicht lasen. Es erschien, stark veränd ert, in New Numbers. Als Cecil starb, zitierte Churchill es persönlich in der Times . Und jetzt hatte sie das berühmte Poesiealbum Sebby Stokes geliehen, es hatte Fettflecken und Eselsohren, und die anderen Einträge davor und danach erschienen im Vergleich geradezu sittenstreng und tugendhaft. Doch das Gedicht an sich … »Es hat Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden«, sagte sie.
    »Es ist so etwas wie eine Erkennungsmelodie«, sagte Freda, was Daphne schon mal aus ihrem Mund gehört hatte.
    »Sie müssen schrecklich stolz sein«, beharrte Mrs Riley.
    »Ach, na ja«, sagte Freda.
    Mrs Riley schüttelte den Kopf. »Ich frage mich unwillkürlich, was Cecil wohl davon halten würde, dass wir hier so über ihn reden.«
    »Oh, ich bin sicher, er

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