Fremder in einer fremden Welt
paßte ausgezeichnet; Jill schloß, es müsse dem Mädchen gehören, das Miriam genannt wurde. Sie badete und schminkte und kämmte sich. Dann stieg sie ins Wohnzimmer hinunter und fühlte sich wie ein neuer Mensch.
Dorcas hatte sich in einen Sessel gekuschelt und nähte. Sie nickte Jill zu, als gehöre diese zur Familie, und beschäftigte sich weiter mit ihrer Handarbeit. Harshaw rührte eine Mischung in einem geeisten Krug um. »Einen Drink?« fragte er.
»Äh. ja, danke.«
Er goß große Cocktailgläser bis an den Rand voll und reichte ihr eins. »Was ist das?« fragte Jill.
»Mein Spezialrezept - der Kometencocktail! Ein Drittel Wodka, ein Drittel Salzsäure, ein Drittel Akkumulatorensäure - zwei Prisen Salz und in Essig eingelegte Käfer.«
»Nehmen Sie lieber einen Highball«, rief Dorcas. Jill bemerkte ein hohes Glas neben dem Ellbogen der Frau.
»Kümmere du dich um deine eigenen Angelegenheiten!« wies Harshaw sie zurecht. »Salzsäure ist gut für die Verdauung; die Käfer fügen Vitamine und Proteine hinzu.« Er hob sein Glas und sprach feierlich: »Auf unsere edlen Charaktere! Es sind nur noch verdammt wenige von uns übrig.« Er leerte fast das ganze Glas mit einem Schluck und füllte es wieder, noch bevor er es wieder abgesetzt hatte.
Jill nahm einen kleinen Schluck, dann einen größeren. Wie die Ingredienzien auch heißen mochten, das war es, was sie brauchte. Wohlbefinden breitete sich von ihrer Mitte in Richtung ihrer Extremitäten aus. Sie trank ungefähr die Hälfte und ließ sich von Harshaw einen Schuß nachgießen. »Haben Sie nach unserem Patienten gesehen?« erkundigte er sich.
»Nein, Sir, ich weiß nicht, wo er ist.«
»Ich war vor ein paar Minuten bei ihm. Schläft wie ein Baby - ich glaube, ich werde ihn auf Lazarus umbenennen. Ob er wohl gern zum Dinner nach unten kommen würde?«
Jill blickte nachdenklich drein. »Doktor, ich weiß es nicht.«
»Nun, wenn er aufwacht, werde ich es erfahren. Er kann mit uns essen oder ein Tablett bekommen. Das hier ist die Halle der Freiheit, meine Liebe. Jeder tut, was ihm gefällt. und wenn er etwas tut, das mir nicht gefällt, jage ich ihn zum Teufel. Dabei fällt mir ein: Es gefällt mir nicht, >Doktor< genannt zu werden.«
»Sir?«
»Oh, ich bin nicht beleidigt. Aber seit man Doktortitel für vergleichende Volkstänze und fortgeschrittenes Angeln mit Fliegen vergibt, bin ich zu verdammt stolz, den Titel zu benutzen. Ich rühre keinen verwässerten Whisky an, und ich lege keinen Wert auf einen verwässerten Grad. Nenn Sie mich Jubal.«
»Oh. Aber der Doktorgrad in Medizin ist nicht verwässert worden.«
»Höchste Zeit, ihn anders zu nennen, damit er nicht mit Spielplatzaufsehern durcheinandergebracht wird. Kleines Mädchen, welches Interesse nehmen Sie an diesem Patienten?«
»Wie bitte? Ich habe es Ihnen doch gesagt, Dok. äh. Jubal.«
»Sie haben mir erzählt, was sich abgespielt hat, doch Sie haben nicht gesagt, warum. Jill, ich habe gesehen, auf welche Art Sie mit ihm sprechen. Lieben Sie ihn?«
Jill schnappte nach Luft. Sie blickte zu Dorcas. Aber das Mädchen schien sich nicht für die Konversation zu interessieren. »Das ist doch absurd!«
»Durchaus nicht. Sie sind ein Mädchen; er ist ein Junge - das ist eine gute Basis.«
»Aber. Nein, Jubal, das ist es nicht. Ich. also, er wurde gefangengehalten, und ich glaubte - vielmehr, Ben glaubte, er sei in Gefahr. Wir wollten dafür sorgen, daß er sein Recht bekommt.«
»Hmm. meine Liebe, ich betrachte ein desinteressiertes Interesse mit Argwohn. Sie sehen aus, als befände sich Ihr Hormonhaushalt im Gleichgewicht. Deshalb vermute ich, es ist entweder Ben oder dieser arme Junge vom Mars. Sie sollten lieber Ihre Motive überprüfen und dann entscheiden, welchen Weg Sie einschlagen wollen. Und wie haben Sie sich das gedacht, was ich in der Zwischenzeit tun soll?«
Die Frage erschloß ein so weites Feld, daß sie schwer zu beantworten war. Was wollte sie wirklich? Was erwartete sie? Von dem Augenblick an, als Jill ihren Rubikon überschritten hatte, war ihr Sinn ausschließlich auf Flucht gerichtet gewesen. Sie hatte keine Pläne. »Ich weiß es nicht.«
»Das habe ich mir gedacht. In der Annahme, daß Sie Ihre Lizenz behalten möchten, habe ich mir die Freiheit genommen, Ihrer Oberschwester von Montreal aus eine Nachricht zu schicken. Sie haben wegen eines Krankheitsfalls in der Fa mili e um Urlaub gebeten. Okay? Über die Details können Sie sich später Gedanken
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