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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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zu.
    »Ayrid! Ich hatte schon solche Angst um dich. Wo hast du
gesteckt? Du warst solange fort.«
    »Ondur, was ist los? Warum regen sich alle so auf?«
    »Das weißt du nicht?«
    »Nein, ich…«
    »Khalid hat uns verraten«, sagte Karim grimmig.
    »Nein«, sagte Ondur genauso grimmig, »hat er
nicht.« Die beiden wechselten einen Blick, der nichts mit Ayrid
zu tun hatte; in diesem Blick lag soviel Feindseligkeit wie
Verlangen.
    Ayrid packte Ondur beim Arm. »Wovon redest du? Haben uns die
Geds… verbannt?«
    »Die Geds? Nein, nein, es geht um Khalid – und diese
jelitische Kommandantin. Sie haben sich verbrüdert, um dem
Töten ein Ende zu machen. Und das ist gut so«, sagte
Ondur mit einem wütenden Seitenblick auf Karim. »Das ist
mir der Frieden wert.«
    Karim sagte verächtlich: »Bürger haben soviel
militärische Verantwortung wie ein Spatz.«
    Ondur maß ihren Liebhaber mit einem langen, sorgenvollen
Blick; dem Blick einer Frau, die bekümmert ist über das,
was sie in ihrem Mann entdeckt. Mit einer brüsken Bewegung
wandte sie sich an Ayrid. »Sechs von ihnen haben einen Pakt
geschlossen. Khalid, Sankur, Kelovar…«
    »Kelovar!«
    »Nicht Kelovar«, sagte Karim grimmig. »Er hat mit
diesem feigen Handel nichts zu tun.«
    »…und drei Jeliten: diese Kommandantin, ihr
Stellvertreter und noch jemand. Noch in der Nacht oder ganz früh
heute morgen hat ein jelitischer Krieger einen von unseren Soldaten
ermordet, und Khalid durfte den Krieger eigenhändig töten. Ausgeliefert haben sie uns den Krieger, stell dir mal vor! Und
wenn noch mal jemand tötet, dann werden die sechs den Schuldigen
auftreiben und… ihn gemeinsam hinrichten. Egal, ob es sich dabei
um einen Jeliten oder um einen Delysier handelt. Bis Schluß
damit ist.«
    Ayrid starrte sie an. Ondur lächelte freudlos. »Das
verschlägt dir die Sprache, was? Wie ein Stadtgericht, genau das
ist es, ein Stadtgericht. In dem beide zu Gericht sitzen, Delysier
und Jeliten.«
    »Um uns zu schwächen«, sagte Karim.
    »Nein. Um den Geds unseren guten Willen zu zeigen; um ihnen
zu zeigen, daß wir uns Mühe geben, ihre Gesetze zu
befolgen. Damit wir in R’Frow bleiben können.«
    »Weil es hier ja so schön ist«, spottete Karim.
»So schön, daß man nicht mal das Joch der Jeliten im
Nacken spürt.«
    »Ja«, sagte Ondur wütend, »ich finde es
schön hier. Ich finde es schön, wenn ich genug zu essen
habe, ich finde es schön, wenn ich nicht zu frieren brauche und
weit weg bin von… wenn ich bin, wo mich niemand findet. Wo ist
denn das Joch, das dich drückt? Bei uns hat Khalid zu sagen.
Khalid und Sankur und Kelovar, nicht die Jeliten.«
    »Laß Kelovar aus dem Spiel.«
    »Er hat zugestimmt«, versetzte Ondur. Sie stand
immer noch zu Ayrid gewandt und redete an der Schulter vorbei mit
Karim, als tue es ihr weh, ihm offen ins Gesicht zu blicken. Doch im
nächsten Augenblick fuhr sie mit geballten Fäusten herum.
»Oder willst du behaupten, Karim, daß Khalid sich nicht
auf Kelovar verlassen kann – daß Kelovar seinen
Kommandanten hintergeht? Verstehst du das unter
›militärischer Verantwortung‹? Und du – wenn Khalid dich bei der Einhaltung dieses Pakts braucht, willst
du dich dann deinem Kommandanten widersetzen?«
    Karim blickte finster drein.
    »Na, sag schon! Antworte!«
    Karims Gesicht spiegelte den heftigen aber kurzen Kampf wider, den
er mit sich ausfocht. »Wenn Khalid diesem Schlangengezücht
einen Soldaten ausliefern will und von mir verlangt, daß ich
dabei mitmache…«
    »Was dann?«
    Er spuckte aus. »Dann werde ich wohl oder übel
gehorchen.«
    Ondur atmete auf. Sie legte Karim sanft die Hand auf den Arm, fast
reumütig, wie um Verzeihung bittend. »Ich wußte,
daß du gehorchen würdest.«
    »Aber Kelovar ist da anders, Ondur. Bei ihm bin ich mir da
nicht sicher.«
    Ondur fuhr zu Ayrid herum. »Du sagst ja gar nichts, Ayrid.
Ich weiß, daß du und Kelovar nicht mehr… daß
ihr…«
    Ayrid hatte eine trockene Kehle bekommen. »Nein.« Mehr
brachte sie nicht heraus.
    »Man könnte sogar sagen«, fuhr Ondur nachdenklich
fort, und Ayrid sah ihr an, daß sie es für Karim sagte, um
zu testen, wie weit er wirklich auf ihrer Seite war, »es
müßte die Jeliten härter treffen als uns. Sie
sträuben sich gegen jede Art von Vereinbarung; daß zwei
Parteien solange feilschen, bis jeder zufrieden ist mit dem Ergebnis,
allein schon der Gedanke bringt sie in Rage, weil… weil sie
alles so eng sehen, sie haben keinen Spielraum. Meine Mutter hat

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