Fremdes Licht
angesehen? Wann?«
»Da, wo man dich überfallen hat.«
Das stimmte – jetzt entsann sie sich, durch den Schleier aus
Schmerz und Betäubung ein Gesicht mit drei Augen gesehen zu
haben, das dicht über ihr geschwebt hatte. Nun war es aber so,
daß die Kriegerin ihre Sache nicht gut gemacht hatte;
das hatte Dahar jedenfalls behauptet, als er sich das Bein angesehen
hatte. Hieß das, die Geds konnten eine gute Arbeit nicht von
einer schlechten unterscheiden? Oder wußte man, daß die
Jelitin ihre Arbeit schlecht gemacht hatte, und Grax schwindelte
einfach? Oder – dritte Möglichkeit – der glühende
Kreis konnte irgendwie durch die Augenklappe hindurchsehen, die sie
ihm verpaßt hatte, und die Geds hatten Dahar bei der Arbeit
zugesehen und wollten das nur nicht zugeben. Du wirst nicht
hinken, hatte Grax versichert – wie konnte er das
wissen?
Ayrid musterte das Gedgesicht in dem glasklaren Helm: den
scharfkantigen Schädel, den steifen Mund, die beiden sanften
Augen und das dritte, höher sitzende, verschleierte Monsterauge.
Wenn diese fremde Miene etwas verriet, dann höchstens einem Ged,
aber nicht ihr.
»Warum habe ich diese… Maschine gegen den Schmerz nicht
schon gestern bekommen, als der Ged mich draußen aufgesucht
hat?« fragte sie.
»Gestern war sie noch nicht gebaut. Aus solchen Teilen kann
man verschiedene Maschinen zusammensetzen, genauso wie du aus deinen
Drähten und Elektromagneten die verschiedensten Apparate bauen
kannst.«
»In R’Frow gab es noch weitere, die Schmerzen hatten.
Der weiße Barbar zum Beispiel – warum hat er die Maschine
nicht bekommen?«
Diesmal dauerte das Schweigen länger. »Der Schmerz kam
nicht aus seinem Bein, er kam aus seinem Hirn. Es wäre also
zwecklos gewesen, sein Hirn in eine andere Raum-Zeit zu versetzen; es
ist das Hirn, das Schmerzen wahrnimmt. Außerdem müssen
Körper und Hirn in ein und derselben Raum-Zeit bleiben; was
brächte es, einen delysischen Kommandanten von den Menschen zu
trennen, mit denen er in Harmonie singt.«
Es war unmöglich, herauszufinden, wo er log und wo er die
Wahrheit sagte. Vielleicht war alles gelogen. Vielleicht nichts.
Ayrid wollte schon aufgeben. Aus dem Augenwinkel gewahrte sie SaSa,
die immer noch steif und krumm in der Ecke lag. Sie verpestete das
ganze Zimmer.
Ayrid sah Grax fest an. »Überall in R’Frow sind
diese glühenden Ringe – sind das Augen, mit denen die Geds
alles beobachten können, was die Menschen tun?«
Ondur schnappte nach Luft. Karim, die Waffe noch in der Hand,
wurde erst aschfahl im Gesicht und lief dann rot an. Graxens Gesicht
verriet nur, daß er wieder lauschte, und diesmal lauschte er so
lange, daß Ayrid schon fast nicht mehr an eine Antwort
glaubte.
»Ja. Die glühenden Ringe sind Augen.«
Nach dem ersten Schock ließ Ondur ihrer Empörung freien
Lauf. Sie nahm kein Blatt vor den Mund – Daumenschlösser,
Lügen, Sex, Spanner – jede Scheu, die sie je in Gegenwart
eines Ged empfunden haben mochte, ertrank in einem Schwall von
Worten. Ayrid hingegen hätte jubeln mögen, hätte am
liebsten die Augen geschlossen vor Glück: Der Ged hatte sie
nicht belogen. Alles, was die Geds sagten, war die reine Wahrheit.
Graxens Antwort war der Farbtropfen, der genügte, um die
Schmelze für einen ganzen Glassatz einzufärben. Solange sie
nicht danach gefragt hatte, hatte Grax auch keinen Grund gesehen, sie
über die glühenden Kreise aufzuklären. Und wenn irgend
etwas, das die Geds taten, fragwürdig erschien, so blieb es das,
solange kein Mensch die richtige Frage stellte, und welche Frage die
richtige war, das war schwer zu sagen bei so wildfremden Wesen. Aber
Grax hatte sie nicht belogen. Man konnte ihnen trauen, den Geds.
»…dazu, uns nichts davon zu sagen?« schäumte
Ondur.
Grax sah nicht Ondur sondern Ayrid an, als er sagte: »Niemand
hat uns danach gefragt.«
»Dann frage ich dich jetzt etwas«, sagte Ayrid so rasch,
daß Ondur keine Zeit fand, ihr Gezeter fortzusetzen.
»Dieses jelitische Mädchen – SaSa – seit du ihren
Liebling in die Stadtmauer gebracht hast, rührt sie sich nicht
mehr und gibt keinen Ton mehr von sich. Ich weiß, es gibt
Drogen, die helfen können, einen Schock zu überwinden, aber
delysische Heiler sind lange nicht so gut wie… wie eure Medizin.
Du hast mein Bein schmerzfrei gemacht; kannst du mir nicht sagen, was
ich SaSa einflößen muß, damit sie wieder zu sich
kommt?«
Graxens Blick flog zu SaSa. »Es gibt Drogen, die das Hirn
beeinflussen?«
Grax hatte
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