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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nicht allein in irgendwelchen Unterricht, das ist viel
zu gefährlich«, sagte Ondur. Ayrid lenkte den Stuhl nach
rechts. Zu weit. »Ist dir auch aufgefallen, daß der
Ged die kleine Hure nicht mal gerochen hat? Sie können bestimmt
nichts riechen durch die Helme.« Ayrid manövrierte den
Stuhl direkt über die Kissen ihres Lagers. »Die Geds sind
keine Menschen, ich traue ihnen nicht über den Weg«, sagte
Ondur mit beißender Schärfe, alles Helle, Verbindliche war
aus ihren Zügen gewichen. »Ich würde eher einem
Jeliten trauen, als diesen Monstern noch ein Wort zu glauben, das sag
ich dir!«
    »Ist das am Ende der Grund, warum du Karim angestiftet hast,
diese kleine Jelitin hierherzubringen?« Ayrid fummelte an der
schwarzen Wroffbeule herum. Jemand klopfte an die Tür.
    »Nein, ich habe… was du mich vorhin gefragt hast«,
sagte Ondur, und ihre Stimme zersprang wie sprödes Glas.
»Ich habe Kinder zur Welt gebracht.« Sie wirbelte herum und
riß die Tür auf.
    Ayrid ließ den Stuhl auf ihr Lager sinken und drückte
die Kissen fest auf das dunkle Wroffkästchen, gerade als Khalid
T’Alira sich an Karim vorbeidrängte, lauter
unausgesprochene Fragen auf den Lippen.

 
42
     
    Die Wandschirme waren tot – alle bis auf einen.
    Grax, R’gref und Fregh waren schon in der Leitstelle gewesen,
als das Bibliothekshirn plötzlich einen Schirm hatte aufleuchten
lassen. Binnen eines Tages hatten die Menschen alle Monitoren blind
gemacht – mit Stoff, Holz, Pflanzenbrei, Lehm und allem, was
sonst noch dazu taugte. Die drei Geds hatten einer unsichtbaren
Unterhaltung gelauscht, die das Bibliothekshirn aus Hunderten
gleichzeitig einlaufender Tonaufnahmen als derart signifikant
identifiziert hatte, daß es sie allen Geds zu Gehör
brachte, ob sie sich in der Stadtmauer aufhielten oder draußen
in R’Frow.
    »Sie hat elf Habrin verlangt«, sagte die Stimme der
Delysierin namens Ondur. »Habgieriges Kriweib. Aber die andere
Heilerin wollte noch mehr. Dafür kriegst du eine ganze Mahlzeit!
Hier ist der Rest, Ayrid. War leider nicht billiger zu
haben.«
    »Macht nichts«, sagte Ayrids Stimme. »Hauptsache,
sie schluckt es runter.«
    »Und ob sie es schluckt«, sagte Ondurs Stimme grimmig.
»Du brauchst den Hals bloß an der richtigen Stelle zu
massieren. Paß mal auf.«
    Die Geds versprühten Enttäuschung. Wo war die richtige
Stelle? Schade, daß die Monitoren blind waren.
    Trotzdem war es richtig gewesen, auf das Bibliothekshirn zu
hören und Ayrid die Wahrheit über die glühenden Ringe
zu sagen. Alle waren sich darin einig gewesen, daß dieses
Verhalten Ayrid helfen würde, die Spezies zu wechseln –
auch wenn diese grammatische Verbindung zwischen ›Spezies‹
und ›wechseln‹ so undenkbar war, daß sie sofort
auseinanderbrach, sobald man darüber nachdachte. Krak’gar,
die Poetin, entließ einen Hauch von ästhetischem
Verdruß.
    Nur ein einziger Monitor konnte noch sehen.
    Seit das Bibliothekshirn den Wandschirm eingeschaltet hatte,
blickte Grax wie gebannt auf das Bild. Da saß Dahar über
ein Bodentischchen in der Unterrichtshalle gebeugt, nicht in dem
leeren, verschließbaren Raum, den er als Schlafzimmer benutzte,
auch nicht in seinem früheren Klassenraum, sondern in dem
verschließbaren Raum, in dem Grax in all den langen
Nächten mit ihm zusammen gearbeitet hatte. Der Raum war voller
Geräte und Utensilien aus der biologischen Abteilung. Manche
Dinge pflegte man im Unterricht mit der hiesigen Menschensprache zu
umschreiben: Vergrößerungsgerät, Zuchtschalen,
Blutröhren, Helix-Kerne. Andere Dinge hießen, wie sie
hießen: Bakterien, Antitoxine, Hormone; aber solche Laute aus
Dahars Mund störten auf empfindliche Weise Graxens
Pheromonhaushalt.
    Dahar spähte in ein Vergrößerungsgerät, das
auf Menschenaugen zugeschnitten war. Die Finger seiner rechten Hand
– unförmig und fett, wie sie Grax erschienen –
spreizten und krümmten sich, als ob sie tatsächlich greifen
wollten, was er in dem Gerät erblickte. Die linke Hand hielt
eine Gewebeprobe und lag regungslos wie ein Stein da. Grax
beobachtete die beiden Menschenhände.
    Hinter dem anderen blinden Bildschirm war Ayrids Stimme zu
hören. »Sie will es nicht trinken, Ondur. Es läuft
alles wieder aus den Mundwinkeln raus.«
    »Sie wird es trinken. Verlaß dich drauf. Halt den Kopf
höher. So ist es besser – jetzt geht es runter. Und halt
sie fest, Ayrid – wenn ihr das Zeug in den Kopf steigt, dann
wird sie schlagen und treten und vielleicht

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